In seinen frühen Jahren war Warren Buffett von den wirtschaftlichen Grundlagen der Tabakindustrie überzeugt. 1980 hat er erstmals in die Aktien von R. J. Reynolds, dem damals (noch vor Philip Morris) größten Tabakunternehmen der Vereinigten Staaten, investiert.
Von 1980 bis 1983 kaufte Buffett insgesamt 5.618.661 R. J. Reynolds Aktien für 268,9 Millionen US-Dollar. Das Investment machte etwa 47,5% der gesamten Aktieninvestitionen von Berkshire Hathaway aus, die sich damals auf insgesamt 566,3 Millionen US-Dollar beliefen.
Bildquelle: Philip Morris Geschäftsbericht
Nachdem R. J. Reynolds den Aktionären im Laufe des Jahres 1984 ein Angebot zum Kauf von 10 Millionen RJR-Aktien unterbreitete, hat Berkshire seine Beteiligung am Unternehmen verkauft. In den späten 1980er Jahren erklärte Warren Buffett, warum er das Tabakgeschäft mag.
Die Herstellung von Zigaretten kostet einen Penny, ihr Verkauf erfolgt zu einem Dollar. Sie machen süchtig und es gibt eine phantastische Markentreue.
Dennoch war Buffett nicht mehr bereit in Tabak-Aktien zu investieren, da dies seiner zunehmend guten Reputation geschadet hätte.
Im Rahmen eines 1988 durchgeführten Leveraged Buyout von RJR Nabisco, an dem unter anderem auch die im Mitbesitz von Berkshire Hathaway befindliche Investmentbank Salomon Brothers beteiligt war, sagte Warren Buffett:
Ich bin wohlhabend genug, um kein Tabakunternehmen zu besitzen und mich mit den Folgen des öffentlichen Eigentums auseinandersetzen zu müssen.
Demnach hat Buffetts Entscheidung, keine Tabak-Aktien mehr zu besitzen, nichts mit den wirtschaftlichen Grundlagen der Branche zu tun.
Seine ursprüngliche Vorliebe für Tabakunternehmen geht vermutlich auf Lawrence N. Bloomberg zurück, der 1938 im Rahmen seiner Dissertation mit dem Titel „The Investment Value of Goodwill“ auf die Bedeutung des Investitionswertes eines Verbrauchermonopols aufmerksam gemacht hat.
Benjamin Graham zitierte Bloomberg in der 3. Auflage seines Werkes Security Analysis aus dem Jahr 1951. Auch in der Anlagephilosophie von Warren Buffett spielen Verbrauchermonopole eine große Rolle.
Laut Bloomberg ist das Wohlwollen des Verbrauchers für das Entstehen eines Verbrauchermonopols verantwortlich. Zwar handelt es sich beim Wohlwollen um eine persönliche Haltung, die aber trotzdem untrennbar mit dem Unternehmen verbunden sei, „weil die Käufer charakteristische Eigenschaften, die ihnen besonders attraktiv erscheinen, an das Unternehmen und seine Produkte knüpfen“.
Nach Meinung von Lawrence N. Bloomberg verhelfen die genannten Faktoren einem Unternehmen beispielsweise zu einem besseren Ergebnis, einer höheren Eigenkapitalrendite, Gewinnwachstum und damit zu einer vorteilhafteren Entwicklung der Aktie.
Anlagethese
Buffetts eingangs erwähnte Aussage zum Tabakgeschäft hat auch heute noch ihre Gültigkeit. Die führenden Unternehmen Philip Morris, Altria Group, British American Tobacco und Imperial Brands erwirtschaften hohe Kapitalrenditen, während ihre Sachinvestitionen nur einen geringen Anteil des Cash-Flows ausmachen.
Die überdurchschnittliche Rentabilität der Tabakbranche kommt unter anderem in den hohen und zuverlässigen Ausschüttungen an die Aktionäre zum Ausdruck. So hat Philip Morris die Dividende je Aktie in den vergangenen 10 Jahren um durchschnittlich 5,7% pro Jahr gesteigert.
Die Altria Group kommt im gleichen Zeitraum auf eine durchschnittliche jährliche Dividendensteigerung von 8,3%, British American Tobacco auf 5,6% und Imperial Brands (ungeachtet einer Kürzung der Dividende im Jahr 2020 um ein Drittel) immerhin noch auf 2,9%.
Neben den bekannten regulatorischen Risiken stellt sich für Investoren in Tabak-Aktien jedoch die Frage, ob die Branche bei dem seit Jahren anhaltenden Rückgang des Zigarettenkonsums eine Zukunftsperspektive für die kommenden Jahrzehnte entwickeln kann.
Die Unternehmen beantworten diese Frage mit der Kreation von Tabakprodukten der nächsten Generation. Zu diesen Produkten gehören beispielsweise erhitzte Tabakerzeugnisse wie das IQOS-System von Philip Morris, E-Zigaretten oder orale Nikotinbeutel.
Nach einer Einschätzung von InsightAce Analytic (einem Marktforschungs- und Beratungsunternehmen) aus März 2022, soll der globale Markt für Tabakprodukte der nächsten Generation von 24,8 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 auf voraussichtlich 67,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2030 anwachsen.
Die mit diesen Produkten erzielbaren Margen sind sogar noch höher, als die von klassischen Zigaretten. Insofern gibt es gute Gründe, dass Buffetts simple ökonomische Beschreibung aus den 1980er Jahren (kosten ein paar Cent und verkaufen sich für einen Dollar) für Tabak-Aktien auch heute noch gültig ist.