Prinzipiell drückt der Zinseszinseffekt aus, dass Zinsen, die aufgrund einer verzinslichen Kapitalanlage am Ende eines bestimmten Zeitraums gutgeschrieben werden, ab Beginn der darauffolgenden Periode die Einlage erhöhen und sich somit in der Zukunft selbst verzinsen. Beim Investieren in Aktien wirkt der Zinseszins in einer ähnlichen Art und Weise.
Die von einem Investor erworbenen Vermögensgegenstände generieren Gewinne, werden reinvestiert und produzieren zukünftig mehr Gewinn. Richtig angewendet erzeugt der Zinseszins aus früheren Gewinnen schließlich neuen Gewinn.
Dabei bestehen für den Investor zwei Möglichkeiten, um von dem Zinseszinseffekt zu profitieren. Er kann die Barmittel, die ihm aus Zins- oder Dividendenzahlungen zufließen erneut anlegen oder in Unternehmen investieren, die ihre Gewinne einbehalten und profitabel reinvestieren.
Die erste Möglichkeit stellt den Anleger im Wesentlichen vor zwei Probleme. Während seine Rendite einerseits durch Steuern geschmälert wird, muss er für den ihm verbleibenden Teil eine neue Investitionsmöglichkeit suchen. Value Investoren suchen daher bevorzugt nach Unternehmen, die einen Großteil ihrer Gewinne einbehalten und über möglichst lange Zeiträume profitabel reinvestieren können.
Auf lange Sicht hat der Zinseszinseffekt die Eigenschaft, Kapital exponentiell anwachsen zu lassen. Warren Buffett hat diesen Effekt wie kein zweiter ausgenutzt, indem er den Buchwert der A-Aktien seiner Investmentholding Berkshire Hathaway von 19 US-Dollar im Jahr 1965 auf 542.625 US-Dollar per Ende 2023 gesteigert hat.
72er-Regel
Wie kann man den Zinseszins einfach im Kopf berechnen?
Eine gute Annäherung gibt die folgende Faustformel, bekannt als die 72er-Regel:
Dividieren Sie die Zahl 72 durch den jeweiligen Zinssatz. So erhalten Sie die Jahre, die notwendig sind, um das eingesetzte Geld zu verdoppeln. Bei einem Zins von 2% ergeben sich auf diese Weise zum Beispiel 36 Jahre und bei 6% Zins zwölf Jahre. Bei Zinssätzen über 15% wird die Formel allerdings zunehmend ungenauer.
Die 72er-Regel funktioniert aber auch andersherum. Dividieren Sie die Zahl 72 durch die Anzahl der Jahre, in denen Sie ihr Kapital verdoppeln möchten, und Sie erhalten als Ergebnis den Zinssatz, der dafür erforderlich ist.
Albert Einsteins 8. Weltwunder Zinseszins
Für Albert Einstein war der Zinseszinseffekt „die größte mathematische Entdeckung aller Zeiten“. Daher bezeichnete Einstein den Zinseszins als das 8. Weltwunder. „Wer es versteht, verdient daran. Wer es nicht versteht, bezahlt dafür“, sagte Albert Einstein.
Praktisches Beispiel für den Zinseszinseffekt
In einem Kommentar aus dem Jahr 2007 stellte Shelby Davis – der unter anderem den bereits 1969 aufgelegten Davis New York Venture Fund mit einer zu diesem Zeitpunkt durchschnittlichen jährlichen Rendite von derzeit 13,4% gemanagt hat – sich selbst die Frage, weshalb er für sich und seine Kunden langfristig in Aktien investiert?
In seiner Antwort stellt er die Chance heraus, mit Aktien eine bessere Rendite als den risikofreien Zins von 10-jährigen Staatsanleihen – die damals zwischen 4% und 5% Ertrag gebracht haben – oder Bargeld, das sogar noch niedriger rentiert, zu erreichen. Historisch betrachtet haben Aktien praktisch in jeder signifikanten Zeitperiode eine bessere Rendite als Anleihen oder Bargeld erzielt.
Überdies führt Shelby Davis aus, dass der amerikanische Aktienindex Dow Jones in den späten 1940er Jahren, als sein Vater seine Investmentkarriere begann, bei ungefähr 200 Punkten notierte. Im Jahr 2006 überstieg der Dow Jones Index erstmals die 12.000 Punkte Marke, was einer Versechzigfachung über einen Zeitraum von etwas mehr als einem halben Jahrhundert entspricht.
Noch beeindruckender findet Shelby Davis, dass im Durchschnitt offensichtlich nur ein moderater jährlicher Anstieg von etwa 7,7% notwendig war, um dieses gewaltige Wachstum zu bewerkstelligen. Falls der Dow Jones über die kommenden 30 Jahre mit der selben Rate zulegt, erhält Shelby Davis innerhalb seines Lebens eventuell noch die Gelegenheit zu sehen, wie der Index die Marke von 90.000 Punkten durchbricht.
Diese Perspektive hilft Shelby Davis sich auf die wahrscheinlich treibenden Kräfte zu konzentrieren, welche die Rendite der kommenden 10, 20 oder 30 Jahre ausmachen, und sich nicht zu sehr um die bevorstehende 10, 100 oder sogar 1.000 Punkte Bewegung des Dow Jones zu kümmern.
Quelle: Davis Fund
Durch Ausnutzung des Zinseszinseffekts über einen langen Anlagehorizont konnte die Familie Davis den größten Teil ihres Vermögens aufbauen. Daher ist das Erlangen von Zinseszins das ultimative Ziel von Davis Familienunternehmen.
Shelby Davis kauft beständige Unternehmen zu günstigen Preisen und hält diese für sehr lange Zeit. Bei der Unternehmensanalyse versucht er Zinseszinsmaschinen zu finden, die über viele Jahre Kapital mit attraktiven Renditen reinvestieren können. Daher versucht Shelby Davis sein Aktienportfolio mit Unternehmen zu bestücken, die ihren Gewinn je Aktie mit einer Rate von 8 bis 12% per anno steigern können.
Unter der Annahme gleichbleibender Kurs-Gewinn-Verhältnisse erwartet Davis, dass sich hierdurch innerhalb einiger Jahrzehnte das investierte Kapital verzehn- bis verdreißigfachen lässt.
Falls es gelingt, diese Unternehmen mit einem Abschlag zu ihrem Inneren Wert zu erwerben, ist sogar noch mehr möglich. Beispielsweise hat Shelby Davis Vater im Jahr 1947 die Summe von 100.000 US$ in „langweilige“ Aktien der Finanzbranche investiert und seine Karriere zu Beginn der 1990er Jahre mit über 800 Mio. US$ beendet.
Schlussbemerkung
Wenn auch nur wenige von uns solche überragenden Ergebnisse erzielen können ist die gute Nachricht, dass sogar eine mittelmäßige Rendite, falls sie beständig über lange Zeiträume erzielt wird, dank des Zinseszinseffekts zu enormem Wohlstand führt. Daher ist Einsteins Bezeichnung des 8. Weltwunders für den Zinseszins auch nicht weiter erstaunlich.
Die Zinseszins Formel als Excel-Download:
- Die Formel für die Zinseszins-Berechnung eines gewöhnlichen Sparplans mit monatlichen Einzahlungen gleichbleibender Beträge (ohne Einmalzahlungen), festem Zinssatz und einer frei wählbaren Anzahl von Jahren können Sie als Excel-Datei downloaden. Die im Zinsrechner verwendete Zinseszins-Formel berechnet den Endbetrag, sowie die darin enthaltenen Zinsen.