Während die globalen Aktienmärkte unter den Auswirkungen der Kreditkrise leiden und sich Anleger mit den durch einen zu hohen Fremdkapitaleinsatz entstandenen Lasten abfinden müssen, konzentrierte sich das Magazin Outlook Profit wieder auf das Wesentliche und führte ein Interview mit dem legendären Superinvestor Walter Schloss, der im Alter von 91 Jahren insgesamt 17 Rezessionen durchlebt und somit die besten, als auch die schlechtesten Zeiten am Aktienmarkt erlebt hat.
Valueinvesting.de, 28. September 2008
Walter Schloss gehört zu den frühen Schülern des Value Investing nach Graham und Dodd. Von Benjamin Graham lernte Schloss unter anderem etwas über die Bewertung des Aktienmarktes und wie man Aktien findet, die unter ihrem bilanzierten Nettoumlaufvermögen notieren. In seinen Anfangsjahren gelang es Walter Schloss von diesen auch einige zu kaufen. Nach Aussage von Schloss notiert der Aktienmarkt heute aber viel höher als damals und es ist folglich wesentlich schwieriger Aktien zu finden, die mit außerordentlichen Rabatten auf ihren tatsächlichen Wert gehandelt werden.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Investoren unserer Zeit, die insbesondere auf den Unternehmensgewinn achten, konzentriert sich Walter Schloss nach wie vor auf die Vermögenswerte der Gesellschaften und versucht nicht vorherzusehen, welche Ergebnisse diese in den kommenden Monaten erzielen werden. Das prognostizieren von Gewinnen hält Walter Schloss für einen viel zu schwierigen Investmentansatz.
Seine Investmentkarriere begann Walter Schloss im Jahre 1934, als er einen Laufburschen Job bei der Firma Carl M. Loeb & Co. (später bekannt unter dem Namen Loeb Rhodes) erhielt. Nach einem Jahr erkundigte sich Schloss dort nach einer Tätigkeit in der Abteilung für Aktien-Analyse, wurde aber abgelehnt.
Der Angestellte, mit dem Walter Schloss gesprochen hat, empfahl ihm Benjamin Grahams ‚Security Analysis‘ und sagte, dass es nicht notwendig sei, darüber hinaus noch andere Bücher zu lesen. Also kaufte sich Walter Schloss das Buch und entdeckte in der Folge, dass Carl M. Loeb & Co. seinen Angestellten, die am Institut der New Yorker Börse einen Kurs über die Arbeitsweise des Aktienmarktes belegen, eine Provision bezahlt. So belegte Walter Schloss nach seinem Buchkauf auch den Kurs.
Dieser wurde von Benjamin Graham persönlich geleitet und behandelte im Wesentlichen die Analyse von Wertpapieren. Walter Schloss zeigte an der Aktien-Analyse Interesse und machte im Jahr 1939 sein Abschlussexamen. Nach dem 2. Weltkrieg schrieb Graham einen Brief an Schloss, in dem er nach Wertpapieranalysten suchte. Nachdem Walter Schloss einen Job bei Graham akzeptierte, war er endgültig im Geschäft.
Auch heute noch ist für Walter Schloss die Bilanz der Ausgangspunkt bei der Analyse einer Aktie. Dabei achtet Schloss darauf, dass die Bilanz nicht zu viele Schulden enthält, denn Schulden können ein Unternehmen nach seiner Auffassung in wirkliche Schwierigkeiten bringen. Schloss weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich aktuell eine Menge großer Unternehmen in Not befinden, da sie zu viele Schulden aufgenommen haben. Die Unternehmen, in die Walter Schloss investiert, müssen dabei nicht völlig schuldenfrei sein, er achtet in der Praxis aber darauf nur Aktien von Unternehmen mit „sehr geringen“ Verbindlichkeiten zu kaufen.
Vielmehr bevorzugt Walter Schloss den Kauf von Unternehmen aus grundlegenden Branchen, die starke Bilanzen aufweisen, also mit wenig Fremdkapital auskommen. Schloss versucht sich selbst vor einem dauerhaften Verlust von Kapital zu schützen, indem er vorzugsweise in Aktien investiert, deren Kurse bereits stark heruntergedrückt wurden. Die Suche nach diesen Aktien führt er zusammen mit seinem Sohn am Computer durch. Unternehmen, deren Aktien bei diesen Computer Screens vernünftig bepreist erscheinen, bittet er um Zusendung eines Geschäftsberichts.
Dabei ist Walter Schloss insbesondere an Aktien von Unternehmen interessiert, die Produkte wie Schuhe oder Autos herstellen. Solange die Unternehmen ein gutes Produkt herstellen, bleibt er investiert. Walter Schloss weist aber auch auf die Herausforderungen hin, mit denen sich die Hersteller von Produkten konfrontiert sehen. Als Beispiel nennt er die Automobilindustrie, die in Amerika mit hohen Kosten betrieben wird, da die Löhne dort höher ausfallen als z.B. in China. Aus diesem Grund müssen solche und ähnliche Einflüsse bei Produktunternehmen immer mit geprüft werden, aber grundsätzlich gibt Schloss Produkten gegenüber Dienstleistungen den Vorzug.
Schloss weiß, dass er durch die Fokussierung auf Produktunternehmen eine Menge an Investitionsgelegenheiten verpasst, die sich außerhalb dieses Bereiches befinden. Er vertritt jedoch die Auffassung, in einer Art und Weise zu leben und damit auch zu investieren, mit der er sich wohl fühlt.
Neben Schulden achtet Walter Schloss am Beginn der Aktien-Analyse auf die Historie der Finanzkennzahlen. Sofern ein Unternehmen erst für relativ kurze Zeit im Geschäft ist, würde Schloss von einem Kauf der Aktien eher Abstand nehmen, da sich die Gesellschaft zu schwer analysieren lässt. Demgegenüber erhält Schloss bei Aktien von Unternehmen, die bereits 20 oder 30 Jahre im Geschäft sind, über die Historie einen sehr guten Gesamteindruck von der finanziellen Vergangenheit der betreffenden Gesellschaft.
Zur Beurteilung, ob eine Aktie wirklich unterbewertet ist, schaut Walter Schloss überraschenderweise zuerst, welche Preise die Börse in der Vergangenheit für das betreffende Unternehmen gezahlt hat. Als Ausgangspunkt für die Festlegung, ob der Aktienkurs gerade niedrig oder hoch ist, verwendet Walter Schloss gerne das Verhältnis von Kurs zu Buchwert. Schloss mag Aktien von Unternehmen, die nahe an ihrem Buchwert notieren. Um diese ausfindig zu machen und um einen Überblick über die verschiedenen Branchen zu erhalten, nutzt Walter Schloss das Value Line Investment Survey, mit dem er bereits eine ganze Menge seiner Researchtätigkeit erledigt.
Regelmäßige Treffen mit den Geschäftsleitungen der Unternehmen veranstaltet Walter Schloss dagegen nicht. Er sieht sich persönlich dazu nicht in der Lage, weil diese Arbeit sehr kraftraubend ist. Da er noch 100 Jahre alt werden möchte, hat sich Walter Schloss für eine Selbstbeschränkung entschieden und die Jahresberichte der Unternehmen und ihre Bilanzen zu lesen, auf den Hintergrund der Gesellschaften zu achten, zu sehen, ob auch die leitenden Angestellten der Firma eine größere Anzahl Aktien besitzen sowie sich auf den Ruf der Menschen zu konzentrieren, die das Unternehmen leiten.
Für seine Entscheidungen beurteilt Walter Schloss jede Aktie einzeln und ist der Meinung, dass – sofern man all die zuvor genannten Dinge gewissenhaft erledigt hat – nicht das Management eines Unternehmens treffen muss. In diesem Zusammenhang betonte Schloss nochmals, dass sein Fokus wirklich nicht auf der Entwicklung der Unternehmensgewinne im kommenden Jahr liegt. Mit dieser Vorgehensweise versucht er sich selbst gegen einen Verlust von Kapital zu schützen. Zwar investiert Walter Schloss heute nicht mehr so aktiv wie früher, kauft aber immer noch gelegentlich Aktien, wenn er welche findet, die ihm zusagen.
Seine Strategie beschreibt Walter Schloss wie folgt: Seiner Ansicht nach ist es einfacher festzustellen, wenn eine Aktie billig ist, als ihren richtigen Verkaufszeitpunkt zu bestimmen. Ein normales Ertragsniveau des betreffenden Unternehmen vorausgesetzt, würde er eine Aktie wahrscheinlich versuchen zu einem Preis zu verkaufen, bei dem die Aktie auch in der Vergangenheit von ihren Anteilseignern verkauft wurde. Manchmal verkauft Walter Schloss auch, wenn sich eine gesamte Branche dramatisch verändert. Zudem gibt es auch Gelegenheiten, bei denen Schloss eine Aktie verkauft, weil er eine günstigere Aktie gefunden hat. Denn beim Value Investing ist es grundsätzlich üblich, teure gegen billige Aktien auszutauschen (Anmerkung: Walter Schloss beschreibt damit den klassischen Ansatz nach Graham und Dodd. Warren Buffett kauft sich dagegen am liebsten in Unternehmen ein, um diese ein Leben lang zu besitzen).
Wenn Walter Schloss eine Aktie gekauft hat und diese weiter fällt, kauft er weitere Aktien, sofern er nach wie vor von seiner Entscheidung überzeugt ist. Schloss liebt es Aktien zu kaufen, die fallen. Ihm ist bewußt, dass eine Menge Menschen diesen Ansatz nicht mögen. Doch er selbst fühlt sich mit dieser Vorgehensweise wohl. Allerdings macht er sich im Vorfeld auch Gedanken, welchen Betrag er maximal in eine bestimmte Aktie zu investieren bereit ist. Bei seinem ersten Kauf setzt er gewöhnlich nur bis zu 50% dieser Summe ein. Bei außergewöhnlich guten Gelegenheiten können es auch schon einmal 70% der maximalen Kapitalmittel sein. Aber auch Walter Schloss kann immer noch nicht vorhersehen, wie sich Aktienkurse in der nahen Zukunft entwickeln werden. Manchmal setzt er daher auch nur 10% der von ihm festgelegten Summe ein, wenn er eine Aktie unbedingt haben möchte, der Aktienkurs aber noch nicht seinen Preisvorstellungen entspricht.
Die durchschnittliche Haltezeit einer Aktie setzt Schloss mit vier bis fünf Jahren an. Der Grund dafür ist, dass sich die von ihm ausgewählten Aktien selten schnell erholen.
Seinen größten Fehler hat Walter Schloss nach eigenen Angabe bereits im Jahr 1949 begangen, als er mit Benjamin Graham zusammenarbeitete. Damals machte ihn Jemand auf ein Unternehmen aufmerksam, das ziemlich gut ist und sich mit Computern befasste. Schloss ging daraufhin zu Graham und teilte ihm mit, dass er die Aktien dieses Unternehmens mag. Ihr Kurs war gerade von 18 auf 21 gestiegen. Graham Antwort war: „Du weißt Walter, dass wir solche Aktien nicht kaufen.“ Die Aktie stieg daraufhin auf 50 und nach einiger Zeit auf 2.000, bevor die Gesellschaft einen Aktiensplitt durchführte. Es handelte sich um die Aktien von Xerox. Es zeichnete sich ab, dass die Aktie eine enorme Kaufmöglichkeit gewesen wäre, aber Graham wollte sie nicht haben, da er nicht genug Wissen über das zugrundeliegende Geschäft des Unternehmens besaß.