In einem aktuellen Gastkommentar für die New York Times bezeichnete Warren Buffett die derzeitige Finanzwelt als Chaos, sowohl in den Vereinigten Staaten, als auch außerhalb.
Valueinvesting.de, 19. Oktober 2008
Nach seiner Aussage haben sich die Probleme des Finanzsystems nach und nach auf die allgemeine Wirtschaft übertragen, die er nun ebenfalls in großen Schwierigkeiten sieht. Für die nahe Zukunft prognostiziert Buffett einen Anstieg der Arbeitslosigkeit sowie ein Abflauen der Konjunktur. Auch die Schlagzeilen in den Medien werden bis auf weiteres angsteinflößend ausfallen.
Also kauft Warren Buffett für sein Privatdepot, in dem sich neben US-Staatsanleihen bislang keine anderen Wertpapiere befanden, nunmehr amerikanische Aktien. Außerhalb des Vermögens, das Warren Buffett in Berkshire Hathaway Aktien hält und das für wohltätige Zwecke bestimmt ist, wird er nach eigenen Worten – sofern die Preise attraktiv bleiben – schon bald zu 100% in US-Aktien investiert sein.
Als Begründung für diese Entscheidung führte er ein altbekanntes Zitat von ihm selbst an, nachdem man gierig werden sollte, wenn andere ängstlich sind, aber Angst haben muss, wenn andere gierig werden. Und nach Buffetts Einschätzung ist Angst heute ziemlich sicher weit verbreitet, selbst unter hartgesottenen Investoren. Zwar hält es Warren Buffett für richtig, wenn Anleger gegenüber hochverschuldeten Unternehmen oder gegenüber Unternehmen in einer schwachen Wettbewerbsposition mißtrauisch eingestellt sind.
Grundsätzliche Ängste in Bezug auf das langfristige Wohlergehen der meisten amerikanischen Unternehmen, die ohne Fehl und Tadel sind, machen für Buffett aber keinen Sinn. Nach seiner Einschätzung werden diese Unternehmen in der Tat einen „Schluckauf“ in ihren Gewinnen erleiden, den sie allerdings immer haben. Die meisten bedeutenden Unternehmen werden nach Aussage von Warren Buffett aber neue Rekordgewinne in 5, 10 und 20 Jahren erwirtschaften.
In diesem Zusammenhang machte Buffett aber noch einmal deutlich, dass er nicht die kurzfristigen Bewegungen der Börse vorhersehen kann. Tatsächlich hat auch er nicht die leiseste Ahnung, ob Aktien in einem Monat oder einem Jahr höher oder niedriger stehen werden, als heute. Buffett hält es aber für wahrscheinlich, dass der Aktienmarkt steigen wird – möglicherweise sogar erheblich – und zwar lange bevor sich die Stimmung verbessert oder die Konjunkturprognosen aufhellen. „Wer also auf die Rotkehlchen wartet, wird den Frühling verpassen.“
Warren Buffett stellte auch einige geschichtliche Vergleiche an: Während der großen Weltwirtschaftskrise erreichte der Dow Jones Index seinen Tiefstand mit 41 Punkten am 8. Juli 1932. Trotzdem verschlechterten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bis zum März 1933, als Franklin D. Roosevelt sein Amt als neuer Präsident antrat. Zu dieser Zeit hatte der Aktienmarkt aber schon um über 30% zugelegt. Ähnliches passierte in den frühen Tagen des 2. Weltkriegs, als sich die Bedingungen sowohl für die Vereinigten Staaten, als auch für Europa und die asiatisch-pazifische Region verschlechterten. Der Aktienmarkt erreichte sein damaliges Tief im April 1942 und damit lange Zeit bevor die Alliierten das Schicksal wenden konnten. Auch in den frühen 1980er Jahren war die richtige Zeit zum Aktienkauf, obwohl gerade die Inflation wütete und die Konjunktur am Boden lag.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass schlechte Nachrichten des Anlegers bester Freund sind, da ihm diese die Möglichkeit eröffnen, ein Stück Zukunft zu deutlich verbilligten Preisen zu erwerben.
Langfristig werden die Nachrichten vom Aktienmarkt nach Aussage Warren Buffetts positiv ausfallen. Im 20. Jahrhundert erlebten die Vereinigten Staaten zwei Weltkriege sowie andere traumatische und teure militärische Konflikte, eine Weltwirtschaftskrise, ein Dutzend Rezessionen und Finanzpaniken, Öl-Schocks, eine Grippe-Epidemie und den Rücktritt eines beschämenden Präsidenten (Richard Nixon). Doch der Dow Jones Index ist in dieser Zeit von 66 auf 11.497 Punkte gestiegen.
Buffett stellt die Frage, wie Anleger angesichts eines Jahrhunderts, das von solch außerordentlichen Gewinnen gekennzeichnet war, Verluste erleiden konnten? Der Grund ist, dass die unglücklichen unter ihnen nur dann Aktien gekauft haben, wenn sie sich wohl fühlten und Aktien verkauften, sobald die Schlagzeilen ihnen ein mulmiges Gefühl bescherten.
Heutzutage fühlen sich diejenigen Wohl, die Bargeld und bargeldähnliche Gegenwerte besitzen. Nach Aussage Buffetts sollten sie dies allerdings nicht tun. Denn diese Menschen haben sich für einen furchtbaren langfristigen Vermögenswert entschieden, der ihnen praktisch nichts einbringt und mit Gewißheit an Wert verlieren wird. Denn die Regierungen werden durch ihre Bemühungen, die gegenwärtige Finanzkrise zu lindern, nach Buffetts Einschätzung aller Voraussicht nach Inflationsdruck erzeugen und somit eine Beschleunigung des realen Wertes von Bargeldkonten bewirken.
Aktien werden daher an mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit besser als Bargeld abschneiden. Wahrscheinlich sogar in einem sehr hohen Maß. Anleger, die sich jetzt an Bargeld klammern, sind der Meinung, dass sie dieses zu einem späteren Zeitpunkt effektiver einsetzen können. Während sie auf bessere Nachrichten warten, ignorieren sie laut Ansicht von Warren Buffett Wayne Gretzky’s (ehemaliger kanadischer Eishockeyspieler) Ratschlag: „Ich laufe dorthin, wo der Puck sein wird, nicht wo er war.“
Abschließend wiederholt Warren Buffett noch einmal, dass er nicht gerne seine Auffassung über den Aktienmarkt kundtut und er keine Ahnung hat, wie sich die Börse auf kurze Sicht entwickeln wird. Dennoch folgt er heute dem Beispiel eines Restaurants, das in einem leeren Bankgebäude geöffnet hatte und anschließend inserierte: „Lege deinen Mund dort an, wo dein Geld war.“
Warren Buffetts Geld und Warren Buffetts Mund raten heute übereinstimmend zu Aktien!