US-Notenbank weitet Bilanzsumme aus

Unter dem Titel „Liegt Inflation in unserer Zukunft“ analysiert die bereits in 1974 gegründete und von Arnold Van Den Berg geführte Investmentgesellschaft Century Management die derzeitigen Aktivitäten der US-Notenbank im Kampf gegen die Finanzkrise.

Valueinvesting.de, 19. April 2009

Dabei setzt sich Century Management unter anderem auch mit der massiven Ausweitung der US-Notenbank Bilanzsumme auseinander. Gemeinhin wird diese als eindeutiger Beleg für die Ausweitung der Geldmenge gewertet, sodass eine starke Inflation oder gar eine Hyperinflation in den kommenden Jahren unausweichlich erscheint.

Die Ausweitung der Bilanzsumme resultiert nach Century Management Angabe aus einem stetigen Erwerb von Vermögenswerten, der über den Ankauf kurzfristiger Schatzbriefe, durch den die Notenbank normalerweise Einfluss auf die Geldpolitik und damit auf die Zinsen ausübt, hinausgeht. Beispielsweise wurden von der US-Notenbank im März unter anderem Hypothekenpapiere mit einem Wert von über 10 Mrd. $ gekauft. Im Ergebnis injiziert die Notenbank mit diesen Ankäufen große Mengen von Bargeld in das Finanzsystem.

Unter normalen Bedingungen würde eine solche Injektion von Bargeld sehr schnell durch die Geschäftsbanken aufgenommen und von diesen durch die Vergabe sogenannter „Leichter Kredite“ die Vermögens- und Verbraucherpreise anheben. Die Folge wäre Inflation. Century Management weist aber darauf hin, dass derzeit kein Umfeld „normaler Bedingungen“ vorherrscht. So fließt das meiste Geld, das durch die Notenbank in das Finanzsystem injiziert wird, nicht irgendwo hin, sondern dient zum Ausgleich der Kreditverluste an den Geld- und Kapitalmärkten. Century Management kommt daher zu dem Schluss, dass das gegenwärtige Problem eher eine Deflation und keine Inflation darstellt.

Chart: Umlaufgeschwindigkeit des Geldes

Die dargestellte Grafik zeigt die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes der USA im Zeitraum von 1946 bis Ende 2008. Darin wird die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes wie folgt definiert [ Bruttoinlandsprodukt (BIP) : durch die Größe der monetären Basis (Geldbasis) ]. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zeigt den Prozentsatz an, mit dem die vorhandene Geldmenge innerhalb eines Jahres durchschnittlich umgesetzt wird. Indirekt wird mit dieser Kennzahl auch das Ausmaß der Bereitschaft der Kreditnehmer zum Leihen und das Ausmaß der Bereitschaft der Kreditgeber zum Verleihen von Geld gemessen. Auf dem Chart ist deutlich erkennbar, dass aufgrund der gegenwärtigen Finanzkrise die Bereitschaft der Geldgeber, Geld zu verleihen, deutlich zurückgegangen ist. Dies ist nach Aussage von Century Management auch der Grund, weshalb die US-Notenbank ihre Bilanzsumme ausweitet.

Die insgesamt in einer Volkswirtschaft verfügbare Kredithöhe hängt sowohl von der Größe der monetären Basis (Geldbasis), als auch von dem Grad der Umlaufgeschwindigkeit ab. Da sich die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes um fast 40% verringert hat, besteht für die Volkswirtschaft die Gefahr, dass nicht mehr genügend Kredite vergeben werden, die für das Wachstum der Wirtschaft notwendig sind. Zum Ausgleich weitet die US-Notenbank die monetäre Basis aus, um damit den Rückgang in der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zu kompensieren. Damit verfolgt sie das Ziel, die aus der Kreditkrise entstandenen Schäden zu begrenzen und letztlich auch die wirtschaftliche Erholung einzuleiten.

Genauer gesagt, weitet die US-Notenbank ihre Bilanzsumme aus, um dem steilen Rückgang bei der Vergabe von Krediten entgegenzuwirken. Während sie dies tut, tritt sie an die Stelle der Institutionen, die aufgrund der Beeinträchtigung des Bankensystems derzeit nicht mehr in der Lage sind, Kredite zu vergeben. Denn ohne neue Kredite, würde sich die Wirtschaft stark zusammenziehen und in eine Deflation abdriften. Auch das vor kurzem angekündigte Rettungsprogramm des US-Finanzministeriums stellt den Versuch dar, das Bankensystem wieder herzustellen, damit die Geschäftsbanken ihrer Aufgabe zur Vergabe von Krediten wieder nachkommen können.

Was passiert, wenn die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes plötzlich wieder ansteigt?

Dies würde nach Aussage von Century Management eindeutig Inflationsdruck nach sich ziehen. Die Analysten sehen aber mehrere Gründe, weshalb es unwahrscheinlich ist, dass dies bereits heute geschieht und vertreten damit einen anderen Standpunkt, als z.B. David Dreman oder Warren Buffett. Als erstes Argument führen sie an, dass viele Banken in einem schlechten Zustand sind und somit sämtliche Barmittel, die sie erhalten, als Rücklage für etwaige Verluste verwenden, die ihnen entstehen können, wenn die Preise für Vermögenswerte weiter fallen sollten. Darüber hinaus wollen die Banken zu den bereits entstandenen Verlusten nicht noch größere finanzielle Schäden erleiden, sodass sie ihre Kredit-Standards anheben. Und zu guter Letzt sind auch prinzipiell kreditwürdige Menschen möglicherweise nicht mehr bereit neue Kredite aufzunehmen, da sie befürchten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren beziehungsweise abwarten, ob sich die Konditionen für Kredite noch weiter verbessern.

Zwar wird die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes schließlich wieder ansteigen. Century Management vertritt jedoch die Auffassung, dass dies ein langwieriger Prozess ist, da im Voraus zu viele faule Kredite aufgearbeitet werden müssen. Die Rückführung des Fremdkapitalisierungsgrades wird vielleicht sogar mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Sobald dies geschieht, wird die Notenbank ihre derzeit aufgebauten Vermögenswerte nach Aussage der Analysten nach und nach veräußern, um die monetäre Basis wieder zu verringern. Selbst ohne besondere Maßnahmen würden die Vermögenswerte im Laufe der Zeit aus der Bilanz der Notenbank verschwinden. Beispielsweise ist im Januar die monetäre Basis gesunken, da einige Geldmarktpapiere fällig wurden. Die Analysten räumen aber ein, dass das Aufkommen von Inflation während der wirtschaftlichen Erholung wahrscheinlich ist, da die Notenbank eher zur Inflation, als zur Deflation neigt. Das Szenario einer Hyperinflation erscheint aus heutiger Sicht aber unwahrscheinlich und wird von Century Management nur als geringe Möglichkeit gesehen.

So ist es für die Analysten wichtig zu verstehen, was die Notenbank derzeit unternimmt. Nach deren Einschätzung weitet diese lediglich die Kreditvergabe aus und beschäftigt sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht mit Gelddrucken. Während die meisten Menschen die quantitative Lockerung der Geldpolitik mit dem Synonym des Gelddruckens verbinden, führt die derzeitige Notenbankpolitik tatsächlich in erster Linie zu einer Erhöhung der Kreditvergabe an das Bankensystem, wodurch das Geld wiederum an Kreditnehmer und Anleger weitergegeben wird. Im Ergebnis führt dies zu einer Vergrößerung der monetären Basis (z.B. der Geldmenge).

Die Century Management Analyse führt aus, dass der Handel in unserem Wirtschaftssystem mit Krediten betrieben und nur ein kleiner Teil der Geschäfte mit tatsächlich vorhandenem Geld getätigt wird. So borgen sich Unternehmen Geldmittel gegen ihre zukünftigen Einnahmen, um hiervon Inventar zu kaufen, Löhne zu begleichen oder ihre Expansion zu finanzieren. Im Gegensatz zur deutschen Hyperinflation in den 1920er Jahren, in der die physikalische Währung wirklich gedruckt wurde, können die heute durch die Notenbank geschaffenen Kredite jederzeit wieder zurückgezogen werden. Wird dagegen Geld gedruckt, ist es nahezu ausgeschlossen, dieses aus dem System wieder zu entfernen. Die unvermeidliche Folge wäre Inflation.

Wenn die Notenbank an einem gewissen Punkt allerdings nicht die Geldmenge verringert, z.B. durch eine reduzierte Kreditvergabe oder durch eine Anhebung der Zinsen, wäre Inflation die Folge.