In 2005 gründete David Winters mit dem Wintergreen Fund seinen eigenen Investmentfonds, nachdem er bei Franklin Mutual Advisers seine Ämter als Generaldirektor und leitender Manager des 35 Mrd. $ umfassenden Investmentportfolios aufgab. Franklin Mutual Advisers gehört seit 1996 zu Franklin Templeton Investments (bekannt durch den legendären Templeton Growth Fund) und verfolgt eine wertorientierte Anlagestrategie.
Valueinvesting.de, 07. Februar 2008
David Winters vergleicht sein Aktiendepot mit einer Perlenkette, in welcher jede einzelne Perle die Beteiligung an einem Unternehmen oder dessen Vermögenswerten repräsentiert. Dabei legt er weltweit an und findet nach eigener Aussage einige seiner besten Investmentgelegenheiten außerhalb der Vereinigten Staaten.
Da David Winters auf ein langfristiges Anlageergebnis fokussiert ist, investiert er oftmals in Sektoren, die an Wall-Street völlig aus der Mode sind. Nach seiner Erfahrung bieten ihm vorrangig die unpopulären, komplizierten und vernachlässigten Investments die Renditen, nach denen er sucht. Solchen Investments gesteht der Aktienmarkt allerdings selten ihren angemessenen Wert in kurzer Zeit zu.
Gewöhnlich hält auch David Winters – wie die meisten Value Investoren – Bargeld, welches nur bei passenden Gelegenheiten investiert wird.
Im Rahmen eines Interviews mit dem Investment Newsletter „Graham and Doddsville“, der in unregelmäßigen Abständen von der Columbia Business School herausgegeben wird, äußerst sich David Winters u.a. zu einigen grundlegenden Fragen des Value Investing.
Interview mit David Winters (Auszug)
Graham and Doddsville: Sie haben einmal von sich selbst gesagt, dass Sie sich auf einer globalen Schatzsuche befinden. Gibt es eine Checkliste der Kriterien, die erfüllt sein müssen, bevor Sie investieren?
David Winter: Ich denke nicht, dass eine genaue Checkliste existiert. Es gibt keine magische Formel, da jede Situation ein wenig anders ist. Aber wenn Sie danach fragen, wie mein ideales Investment aussieht, so suche ich zu allererst nach Aktien von Unternehmen mit guten wirtschaftlichen Grundlagen. Ein Unternehmen mit guten wirtschaftlichen Grundlagen, die im Laufe der Zeit hoffentlich immer besser werden. Denn dann ist die Zeit dein Freund.
Dann benötige ich noch ein Management, dass sich wirklich verpflichtet sieht, das Richtige zu tun. Ein Management, das mit den übrigen Aktionären im selben Boot sitzt und die Ruder in die gleiche Richtig zieht.
Zusätzlich zu den beiden genannten Faktoren wünsche ich mir noch einen unterbewerteten Aktienkurs.
Graham and Doddsville: Wie beurteilen Sie das Risiko eines Wertpapiers?
David Winter: Das ultimative Risiko eines Wertpapiers ist ein dauerhafter Kapitalverlust. In jedem anderen Unternehmen, dass sich nicht mit Kapitalanlage befasst, wird das Chance-Risiko-Verhältnis ausschließlich auf der Grundlage dessen bewertet, wie viel Geld man im Laufe der Zeit verdienen kann.
So muss man sich immer Benjamin Grahams Konzept der Sicherheitsmarge vor Augen führen und sich genau anschauen, was ein Unternehmen wert ist und wie das Verhältnis zwischen dem tatsächlichen Unternehmenswert und seinem aktuellen Börsenwert aussieht.
Hat das Unternehmen beispielsweise die Möglichkeit, seine Preise zu erhöhen? Es gibt viele Unternehmen, die einem so starken Wettbewerb ausgesetzt sind, dass sie über keinerlei Spielräume bei der Preisgestaltung verfügen.
Dann muss man schauen, wie sich die globale Wettbewerbsposition des Unternehmen darstellt. Hat das Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil? Oder stellt das Unternehmen ein Produkt her, das woanders zu einem viel niedrigeren Preis leicht dupliziert werden kann? Sofern man solch ein Unternehmen besitzt, hat man ein Problem.
Eine andere Sache, die man sich überlegen sollte ist, ob das Unternehmen in einer Branche tätig ist, die einem grundlegenden Wandel unterliegt. Beispielsweise waren Zeitungen über viele Jahre eine wirkliche Lizenz zum Gelddrucken. Sofern man früher eine Zeitung besaß, gehörte man zu den reichsten Menschen der Stadt.
Heutzutage ist dies nicht mehr der Fall, da sich Kleinanzeigen sowie sonstige begleitende Werbung zunehmend ins Internet verlagert. Daher haben Zeitungen mittlerweile ihre Macht zur Preisgestaltung verloren.
Aus diesem Grund glaube ich, dass man als Investor wirklich darauf achten muss, ob sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern. Und das wird nicht immer anhand der Bewertung, oder über den Geschäftsbericht eines Unternehmens, sichtbar.
Graham and Doddsville: Wann ist für einen langfristigen Investor der richtige Verkaufszeitpunkt?
David Winters: Es gibt verschiedene Gründe, weshalb man verkaufen sollte. Ein Grund ist, wenn man einen Fehler gemacht hat. Ich denke, dass eines der Dinge, die wir zu tun haben, Ehrlichkeit zu uns selbst ist. Haben wir einen Fehler in unserer Analyse gemacht? Hat sich etwas geändert? Oder haben wir eine neue Information erhalten, die unsere Sichtweise verändert?
Anstatt wie ein Strauß zu investieren, stecken viele Menschen den Kopf in den Sand und hoffen, dass sich die Dinge verbessern. Stattdessen ist es besser zu erkennen, dass man einen Fehler gemacht hat und zu verkaufen.
Ein anderer Grund für einen Verkauf ist, wenn die Bewertung einer Aktie aus dem Gleichgewicht läuft. Denn selbst wenn man etwas Wunderbares besitzt, das schließlich ansatzweise oder gar vollständig bewertet erscheint, ist es sinnvoll zu verkaufen.
Sogar ein großartiges Investment ist totes Geld, wenn es zu seinem vollen Wert gehandelt wird. In der Regel ist es dann wahrscheinlich, dass man an einer anderen Stelle einen besseren Platz zum Investieren findet.
Graham and Doddsville: Sie haben zusammen mit Michael Price gelernt. Michael Price hält nicht viel von einer Diskont-Cashflow-Analyse. Wie stehen Sie persönlich zum DCF-Modell?
David Winters: Wahrscheinlich habe ich die Skepsis von Michael Price bezüglich DCF geerbt. Konzeptionell halte ich die DCF-Methode für richtig, aber die Wahrscheinlichkeit, dass irgend Jemand eine exakte Einschätzung mit dem Modell macht, ist gering.
Während der vielen Jahre, in denen ich für Michael Price arbeitete, habe ich gelernt, dass er nicht so sehr auf Unternehmensgewinne fixiert ist. Dagegen ist die Wall-Street von Unternehmensgewinnen regelrecht besessen.
Sofern man in Aktien investiert, bei denen es darauf ankommt, ob die Gewinnschätzungen genau getroffen oder um einen Cent überboten werden, erhöht sich die Möglichkeit, dass man enttäuscht wird. Daher verfolgen wir bei Wintergreen Fund den Ansatz, die Gegenwart mit einem Abschlag zu kaufen und damit die Zukunft umsonst zu erhalten.
Zuletzt zeigte mir Jemand eine Diskont-Cashflow-Analyse, die mich sehr skeptisch machte. Das Modell ging von einer angenommenen Wachstumsrate von jährlich 2% aus und ich fragte was passiert, wenn diese 5% beträgt. In diesem Fall hätte sich der faire Wert des Investments verdoppelt.
Aus diesem Grund teile ich die Vorbehalte von Michael Price gegenüber dem DCF-Verfahren. Denken Sie beispielsweise an die zurückliegenden Jahre des Börsenbooms, in denen Menschen Dinge weit in die Zukunft extrapolierten, bis es absurd wurde. Zur gleichen Zeit konnte man die Aktien von echten Unternehmen wie z.B. Brown-Forman, dem Destillierer von Jack Daniels, kaufen. Auf dem Höhepunkt der Spekulationsblase konnte man Brown-Forman Aktien an der Börse zu etwa der Hälfte dessen erwerben, was das Unternehmen wirklich wert war.
Die Menschen wendeten Diskont-Cashflow-Modelle an, da sie nach Systemen suchten, mit denen man schnell reich wird.
(Anmerkung: David Winters erzielte seit dem Start von Wintergreen Fund im Oktober 2005, bis November 2007, eine durchschnittliche jährliche Rendite von 20,58%, während der Standardwerte-Aktienindex S&P 500 im gleichen Zeitraum auf eine Rendite von 13,3% p.A. kam.)