Nachdem David Einhorn die Gründe für den hohen Fremdkapitaleinsatz der Investmentbanken behandelt und sich mit deren Risiko-Management-Modellen auseinandergesetzt hatte, untersuchte er im Folgenden die Rolle der Kredit Rating-Agenturen.
Teil 1: Private Gewinne und verstaatlichte Risiken
Teil 2: Die Risikomodelle der Investmentbanken
Die Kredit Rating-Agenturen nehmen nach Ansicht von David Einhorn einen besonderen Platz in unseren Märkten ein. Denn sie haben die Möglichkeit, nicht öffentliche Informationen zu prüfen, um sich auf diesem Weg eine Meinung zu der Kreditwürdigkeit der Investmentbanken bilden zu können. Der Markt und die Aufsichtsbehörden gehen davon aus, dass die Rating-Agenturen ihrer damit verbundenen Verantwortung gerecht werden. Tatsächlich hielt eine der größten Agenturen im Sommer 2007, als die Kreditkrise ausbrach, eine öffentliche Telefonkonferenz über die Gesundheit der Investmentbanken ab.
Nach Angabe von David Einhorn nahmen die Rating-Agenturen anfänglich im Wesentlichen den Standpunkt ein, dass kein Grund zur Sorge besteht, da die Investmentbanken über ausgezeichnete Risikokontrollen verfügen und ihre Engagements (Wertpapiere, Kredite) abgesichert sind. Die erste Reaktion auf die Kreditkrise lautete im Grunde auf die Aussage, dass Jedermann abgesichert sei. Erst einige Wochen später, als die Investmentbank Merrill Lynch einen großen Verlust ankündigte, waren die Agenturen gezwungen ihre Einschätzung zu ändern.
David Einhorn hatte später die Gelegenheit, einen vor kurzem pensionierten leitenden Angestellten einer der großen Rating-Agenturen zu treffen. Einhorn fragte ihn, wie die Agenturen die Kreditwürdigkeit der Investmentbanken bewerten. Zu diesem Zeitpunkt verzeichnete Merrill Lynch bereits große Verluste, sodass sich Einhorn außerdem danach erkundigte, was das Rating-Team bei der Prüfung des Merrill Lynch Portfolios im Details gefunden hat.
Die Antwort lautete, dass die Agentur für den Bereich Investmentbanken nur drei oder vier Mitarbeiter beschäftigt und mit diesen die gesamten Banken abdecken muss. Somit hatte die Agentur gar kein Team, das sie für eine gründliche Überprüfung des Portfolios zu Merrill Lynch schicken konnte. Der pensionierte Manager erklärte darüber hinaus, dass die Agentur auch nicht versucht, einen genauen Blick auf die tatsächlichen Portfolios zu werfen, da sich diese zu häufig verändern und somit keine Möglichkeit besteht, mit diesen Änderungen Schritt zu halten.
Daraufhin fragte David Einhorn, wie die Rating-Agenturen die Bilanzen überwachen, sodass, wenn eine Investmentbank einen Vermögenswert hinzufügt, die Agentur die damit verbundene Eigenkapitalanforderung bewerten kann, um sicherzustellen, dass das Risiko für das bestehende Rating von der Bank nicht überschritten wird. Die Antwort war, dass die Rating-Agenturen eine solche Überwachung der Bilanzen nicht vornehmen und dass die Agenturen für Investmentbanken nicht einmal über Modelle verfügen, mit denen dies möglich wäre.
Im Anschluss daran erkundigte sich Einhorn, worauf die Rating-Agenturen denn achten. Die Antwort war, dass die Agenturen vor allen Dingen auf öffentliche Informationen wie grundlegende Bilanzkennzahlen, Vorsteuer-Margen sowie die Schwankungsbreite dieser Margen achten würden. Zudem sprechen die Rating-Agenturen mit dem Management und prüfen die Risiko-Management-Berichte. Selbstverständlich nehmen sie auch eine „Value at Risk“ Überwachung vor.
David Einhorn war von diesen Antworten einigermaßen geschockt und denkt, dass des den meisten Marktteilnehmern ebenso ergeht. Während die Rating-Agenturen im Grunde genommen nicht sagen, wie sie ihre Arbeit erledigen, geht der Markt davon aus, dass die Agenturen die Vorteile ihrer Befreiung aus der SEC-Verordnung „FD“ (Anmerkung: Diese Verordnung wurde von der amerikanischen Börsenaufsicht SEC im Oktober 2000 aufgelegt und soll eine zeitgleiche Informationsverteilung an sämtliche Marktteilnehmer gewährleisten, indem sie die Informationsweitergabe an bestimmte Teilnehmer des Kapitalmarktes verbietet) wahrnehmen und eine breite Palette von nicht öffentlich zugänglichem Material prüfen.
Im Ergebnis kommt David Einhorn zu der Einschätzung, dass der Markt von den Rating-Agenturen annimmt, dass sie viel mehr tun, als dies tatsächlich der Fall ist. Die Agenturen selbst informieren den Markt nicht direkt falsch, aber sie klären diesen auch nicht über mögliche Fehleinschätzungen auf. Somit entsteht ein falsches Gefühl von Sicherheit, welches die Probleme in Krisenzeiten noch zusätzlich verschärft.
Hätten die Rating-Agenturen ihre Aufgabe die Investmentbanken zu disziplinieren angemessen erfüllt, wären diese möglicherweise davor bewahrt worden, übermäßige Risiken aufzunehmen und die gegenwärtige Krise hätte verhindert werden können. Einhorn weist in diesem Zusammenhang aber auf den bestehenden Interessenkonflikt hin, indem die Investmentbanken den Rating-Agenturen eine Menge Geschäft von anderen Unternehmen einbringen.