In seinem jüngsten Memo mit dem Titel „Gimme Credit“ geht Howard Marks auf eine häufig gestellte Frage ein, die er in den letzten Monaten erhalten hat: „Was ist mit den Kredit-Spreads?“ Er erklärt, dass die Schlüsselfrage lauten sollte, ob der heutige Spread ausreicht, um die anfallenden Kreditverluste auszugleichen, und nicht, ob er historisch eng ist oder nicht.
Außerdem betont er, dass die Ausweitung der Kredit-Spreads ein kurzfristiges Phänomen ist, und bringt seine Überzeugung zum Ausdruck, dass die hohe Rendite von Krediten selbst bei den heutigen Spreads ein besseres Geschäft als Aktien darstellt.
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Hintergrund des Kreditmarktes
Howard Marks beginnt sein Memo mit dem Hinweis auf das verstärkte Interesse an Krediten, seit die Zinsen im Jahr 2022 wieder angestiegen sind. Aufgrund seiner Erfahrung und der Datenverfügbarkeit konzentriert er sich hauptsächlich auf Hochzinsanleihen, sagt aber, dass seine Punkte für Kredite im Allgemeinen gelten.
Er geht auf die Frage ein, ob in private Kredite oder öffentliche Kreditinstrumente investiert werden soll und argumentiert, dass Investoren beide Möglichkeiten in Betracht ziehen sollten.
Marks hebt hervor, dass 2023 und 2024 starke Jahre für Kredite waren, wobei der „ICE BofA US High Yield Bond Index“ 13,5% beziehungsweise 8,2% erwirtschaftete. Diese Renditen folgten einer Periode magerer Renditen auf Kreditinstrumente im Zeitraum von 2009 bis 2021, als Hochzinsanleihen etwa 4% abwarfen.
Im Jahr 2022 forderten Investoren, die aufgrund von Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed eine Rezession befürchteten, mehr Risikoschutz in Form höherer Renditespreads, wodurch die Gesamtrenditen für Hochzinsanleihen auf etwa 9,5% anstiegen.
Zu dieser Zeit argumentierte Howard Marks, dass diese versprochenen Renditen (a) absolut gesehen hoch, (b) aufgrund ihrer vertraglichen Natur relativ sicher und (c) weit über den von den meisten Instituten angestrebten Renditen lagen, was Kredite zu einer attraktiven Investition mache.
Die Anleger begannen jedoch zu kaufen, weil sie einen guten Wert in Krediten sahen, und sie rechneten mit Zinssenkungen, die Anleihen mit hohen Kupons begehrenswerter machen würden. Mit der Zeit wurden die Anleger auch weniger über eine mögliche Rezession besorgt, was dazu führte, dass sie weniger auf eine großzügige Risikoabsicherung durch Kreditspreads bestanden.
Infolgedessen sank die Forderung nach hohen Spreads, was zu Kursgewinnen und annualisierten Renditen von 10,8% für Hochzinsanleihen über den Zeitraum von 2023 bis 2024 führte. Steigende Preise haben jedoch zu sinkenden Renditechancen geführt, wobei die Rendite bis zur Fälligkeit der durchschnittlichen Hochzinsanleihe jetzt nur noch knapp über 7% lag, gegenüber 9,5% zuvor.
Was ist ein Rendite-Spread?
Howard Marks erklärt, dass ein „Rendite-Spread“, „Kredit-Spread“ oder einfach nur „Spread“ auch als „Risikoprämie“ bezeichnet wird und die Differenz zwischen der versprochenen Rendite auf riskante Schuldverschreibungen und der Rendite auf einen weniger riskanten Vergleichswert (z.B. eine US-Schatzanweisung) ist.
Der Spread stellt den zusätzlichen Ertrag dar, der angeboten wird, um das höhere Ausfallrisiko zu kompensieren. Hauptsächlich schwanken Renditespreads mit Trends sowie der Anlegerpsychologie in Bezug auf Ausfälle. Wenn mehr Unternehmen in Verzug geraten, oder Investoren in Zukunft höhere Ausfälle erwarten, verlangen sie höhere Spreads als Schutz.
Umgekehrt führt Optimismus in Bezug auf die Bonität zu engeren Spreads. Damit dient der Spread als Maßstab für die Psychologie der Investoren beziehungsweise als „Angstbarometer“. Er spiegelt wider, was Anleger über die mögliche Ausfallrate denken, nicht wie die tatsächliche Ausfallrate sein wird.
Sind die heutigen Kredit-Spreads ausreichend?
Howard Marks geht auf die zentrale Frage ein, ob die aktuellen Kredit-Spreads ausreichend sind. Er nennt ein Beispiel: Wenn Hochzinsanleihen 8% und eine US-Schatzanweisung 5% abwerfen (ein Spread von 300 Basispunkten), hängt das bessere Geschäft von der Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls ab.
Wenn Hochzinsanleihen eine jährliche Ausfallwahrscheinlichkeit von 4% und einen Verlust von 75% im Falle eines Ausfalls haben, beträgt der erwartete jährliche Kreditausfall 3% (4% * 75%). In diesem Szenario sollte ein Investor zwischen den beiden Alternativen gleichgültig sein.
Dementsprechend sollten Anleger die Schatzanweisung bevorzugen, wenn Hochzinsanleihen eine höhere Ausfallwahrscheinlichkeit als 4% haben und Hochzinsanleihen, wenn die Wahrscheinlichkeit für einen Kreditausfall bei unter als 4% liegt.
Marks merkt an, dass er während der Zeit, als er Hochzinsanleihen verwaltete, einen normalen Spread-Bereich von 350-550 Basispunkten für angemessen hielt. In jüngster Zeit wurde dieser seines Erachtens auf 400-600 Basispunkte korrigiert. Der heutige Spread liegt jedoch bei etwa 290 Basispunkten und ist damit eine der geringsten Spannen seit Beginn der Emission von Hochzinsanleihen in den Jahren 1977/1978.
Laut Howard Marks ist es wichtig festzustellen, dass die historischen Spreads weit mehr als ausreichend waren, da die nicht verwalteten Indizes für Hochzinsanleihen trotz ihrer Ausfälle und Kreditverluste deutlich besser abgeschnitten haben, als risikolose Schatzanweisungen.
Daten von Barclays zeigen, dass Hochzinsanleihen im Zeitraum von 1986 bis 2024 eine Rendite von 7,83% pro Jahr einbrachten, verglichen mit 5,14% für 10-jährige Schatzanweisungen. Dies entspricht einer Differenz von 269 Basispunkten. Die Daten deuten darauf hin, dass der historische Spread die Kreditausfälle mehr als ausgeglichen hat.
Daher ist für Howard Marks nicht entscheidend, ob der heutige Spread historisch eng ist, sondern ob er ausreicht, um zukünftige Kreditausfälle auszugleichen.
Über Oaktrees 39-jährige Erfolgsbilanz (1986-2024) lag die durchschnittliche Ausfallrate für Hochzinsanleihen bei 3,5%, wobei die Ausfallanleihen Investoren etwa ⅔ ihres Geldes kosteten, was zu jährlichen Kreditausfällen von etwa 230 Basispunkten führte. Dies deutet darauf hin, dass der heutige Spread von 290 Basispunkten ausgereicht hätte, um vergangene Ausfälle auszugleichen.
Einschränkungen und Überlegungen
Zu dem Datenmaterial aus dem letzten Abschnitt nennt Howard Marks in seinem Memo mehrere Einschränkungen:
- Die durchschnittliche Ausfallrate von 3,5% überschätzt die typische Erfahrung. Der Durchschnitt ist verzerrt durch zweistellige Ausfallraten während der Krisenjahre 1990/1991 und 2001/2002. Ohne diese Jahre und den vier besten Jahren lag die durchschnittliche Ausfallrate nur bei 3,0%. Der Median betrug 2,7%.
- Möglicherweise ist die historische Ausfallrate für die Zukunft nicht relevant. Zentralbanken und nationale Finanzministerien haben Instrumente entwickelt, um Rezessionen und Kreditschwierigkeiten entgegenzuwirken, was zu geringeren Ausfallerfahrungen in der globalen Finanzkrise 2008/2009 und in der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 im Vergleich zu früheren Krisen führte. Dies deutet darauf hin, dass das Makro-Umfeld sicherer geworden ist.
- Die durchschnittliche Bonität von Hochzinsanleihen ist deutlich gestiegen. Mehr Unternehmen mit Investment-Grade-Rating (Triple-B) haben sich dafür entschieden, ihre Verschuldung zu erhöhen und ihre Ratings auf Double-B, die oberste Stufe des Hochzinsanleihen Universums, abzusenken. Dies bedeutet, dass der heutige durchschnittliche Renditespread mehr Vergütung pro Einheit Kreditausfall bietet, als in der Vergangenheit.
- Aktive Kreditmanager sind bestrebt, die Ausfallhäufigkeit und den Prozentsatz des bei Ausfällen verlorenen Kapitals zu reduzieren. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Spreads ausreichen, um zukünftige Kreditausfälle für qualifizierte Manager auszugleichen.
Howard Marks fügt hinzu, dass die Verbreiterung der Kreditspreads ein kurzfristiges Phänomen ist. Indem ein breiterer Spread zu einem Kursverfall für Anleihegläubiger führt, ist dieser Rückgang vorübergehend, während höhere Zinszahlungen jährlich erhalten werden und die Anleihe bei Fälligkeit schließlich zu ihrem Nennwert zurückkehrt.
Er verweist auf eine Studie, die zeigt, dass selbst der Kauf von Anleihen zum Allzeittief von 241 Basispunkten im Juni 2007, kurz vor der globalen Finanzkrise, über drei, fünf und zehn Jahre positive annualisierte Renditen abgeworfen hätte.
Kredite im Vergleich zu Aktien
Howard Marks vergleicht Kredite mit Aktien und stellt fest, dass die Aktienbewertungen, insbesondere für den Standard & Poor´s 500, auf niedrigere erwartete Renditen hindeuten. Er verweist auf sein Januar-Memo mit dem Titel „On Bubble Watch“ und betont, dass historische Daten zeigen, dass der S&P 500 bei KGV-Werten wie heute in der Vergangenheit zehnjährige Renditen zwischen -2% und +2% pro Jahr erzielt hat.
Des Weiteren erklärt ein Artikel auf der Titelseite des Wall Street Journal vom 27. Januar, dass Aktien seit der Zeit nach der Dotcom-Ära nicht mehr so unattraktiv ausgesehen haben wie heute. Diese Aussage bezieht sich nicht auf das erhöhte Kurs-Gewinn-Verhältnis, sondern auf die Tatsache, dass die Rendite der 10-jährigen US-Schatzanweisung höher ist, als die Gewinnrendite des S&P 500.
Marks argumentiert, dass die derzeit angebotenen Renditen höhere Renditen aus Krediten als aus dem S&P 500 implizieren. Hinzu kommt, dass die Kreditrenditen vertraglich vereinbart sind und daher weniger Schwankungen und Unsicherheit unterliegen. Dies gilt trotz des jüngsten Rückgangs der Rendite und der engen Spreads.
Fazit
Zusammenfassend kommt Howard Marks zu dem Schluss, dass Kredite selbst bei den heutigen Spreads ein besseres Angebot als Aktien darstellen. Obwohl sie kein „Geschenk“ sind, bieten Kredite gesunde absolute Renditen und sind relativ gesehen fair bewertet.
Dies gilt nicht nur für Hochzinsanleihen, sondern auch für Senior Loans, Mezzanine-Debt, Asset-Backed Loans, CLOs und Private Lending. Marks räumt ein, dass er es bevorzugt, bei höheren Renditen und breiteren Spreads zu kaufen, sagt aber, dass dies kein Grund ist, den Ausbau der Allokation in Kredite heute zu vermeiden.