Nachdem der Aktienmarkt, gemessen am amerikanischen Aktienindex Standard & Poor’s 500, am 03. Januar 2022 mit 4.796,56 Punkten seinen jüngsten Höchststand erreichte, trat er rund ein halbes Jahr später am 13. Juni 2022 mit einem Indexstand von 3.749,63 Punkten offiziell in einen Bärenmarkt ein.
Von einem Bärenmarkt spricht man, wenn ein Markt anhaltende Kursrückgänge erlebt. In der Regel handelt es sich um einen Zustand, in dem die Wertpapierkurse gegenüber den jüngsten Höchstständen um 20% oder mehr fallen. Dagegen wird ein Kursrückgang zwischen 10% und 20% gegenüber dem letzten Höchststand als Börsenkorrektur definiert.
Quelle: Fisher Investments
Die Unterscheidung zwischen einem Bärenmarkt und einer Börsenkorrektur ist u.U. ein relevanter Faktor für den persönlichen Anlageerfolg. Denn die frühe Identifikation von Bärenmärkten kann Anlegern helfen, größere Verluste am Aktienmarkt zu vermeiden, indem sie ihr Portfolio rechtzeitig defensiver ausrichten.
Auch wenn keine zwei Bärenmärkte identisch verlaufen, hat Ken Fisher vier Regeln entwickelt, die Anlegern dabei helfen, einen Bärenmarkt von einer Börsenkorrektur zu unterscheiden. Fisher verdeutlicht sein Konzept am Beispiel des Bärenmarktes 1973-1974.
Anatomie eines Bärenmarktes
3-Monats-Regel
Um eine Marktspitze niemals zu früh auszurufen und einen Teil des Bullenmarktes zu verpassen, empfiehlt die 3-Monats-Regel – nachdem Anleger vermuten, dass der Markt seinen Höhepunkt erreicht hat – drei Monate zu warten, bevor Sie in die Defensive gehen.
Quelle: Fisher Investments
Anstatt zu versuchen zu erraten, wann ein Aktienmarkthoch kommen könnte, stellt diese Regel sicher, dass man den Höchststand des Marktes bereits hinter sich gelassen hat, bevor man defensive Anlagemaßnahmen ergreift.
2-Prozent-Regel
Oftmals fallen die Aktienkurse in einem Bärenmarkt um etwa 2% pro Monat. Somit beginnen Bärenmärkte in der Regel nicht mit scharfen, plötzlichen Einbrüchen.
Quelle: Fisher Investments
Wenn es einen steilen Rückgang von deutlich mehr als 2% pro Monat gibt, handelt es sich möglicherweise nur um eine kurzfristige Börsenkorrektur (dazu später mehr).
Zwei-Drittel-/Ein-Drittel-Regel
Bei der Analyse historischer Bärenmärkte hat Ken Fisher beobachtet, dass etwa ein Drittel des Rückgangs von Bärenmärkten in den ersten zwei Dritteln eines Bärenmarkts stattfindet und etwa zwei Drittel des Rückgangs während des letzten Drittels des Bärenmarkts.
Quelle: Fisher Investments
Aus diesem Grund ist es möglicherweise nicht so wichtig, den anfänglichen Rückgang zu verpassen, da die stärkeren Rückgänge oft erst später im Bärenmarkt auftreten.
18-Monats-Regel
Während die Dauer von Bullenmärkten historisch betrachtet erheblich variiert, beträgt die durchschnittliche Bärenmarktdauer seit dem Jahr 1946 nur 16 Monate. Nur sehr wenige Bärenmärkte in der modernen Geschichte überdauern volle zwei Jahre oder länger.
Quelle: Fisher Investments
Anlegern, die in Anbetracht eines aufkommenden Bärenmarktes eine defensivere Anlagestrategie verfolgen möchten, empfiehlt Ken Fisher, nicht auf einen überdurchschnittlich langen Marktrückgang zu wetten.
Denn wenn man länger als 18 Monate defensiv bleibt, verpasst man möglicherweise die starke Aufwärtsbewegung, die fast immer den Beginn des nächsten Bullenmarktes einläutet. Diese Aufwärtsbewegung zu verpassen, kann für Anleger sehr kostspielig werden.
Die typische Börsenkorrektur
Im Allgemeinen ist es schwierig, einen aufkommenden Bärenmarkt frühzeitig zu erkennen. Es kann nämlich ebenso gut sein, dass der Aktienmarkt nur eine gewöhnliche Börsenkorrektur durchläuft, bei der es sich in der Regel um einen kurzen, stimmungsbedingten Abschwung von -10% bis -20% handelt.
Aufgrund ihres Verhaltens, ist das Timing einer Börsenkorrektur laut Aussage von Ken Fisher nicht möglich. Korrekturen am Aktienmarkt können sich aus irgendeinem Grund oder auch völlig ohne Grund ereignen.
Dennoch nennt Ken Fisher einige mögliche Anzeichen dafür, dass es sich bei einem Marktrückgang um eine typische Börsenkorrektur handelt:
- Es gibt ein einschneidendes Ereignis wie einen regionalen geopolitischen Konflikt, einen Terrorakt, eine Naturkatastrophe oder wie im Frühjahr 2020 eine Pandemie, über das in den Medien berichtet wird. Ein solches Ereignis kann Volatilität am Aktienmarkt auslösen.
- Ansonsten ist die Konjunktur grundsätzlich stark.
- Der Abschwung an den Aktienmärkten verläuft plötzlich, kurz und scharf von einem kürzlichen relativen Hochpunkt (im Gegensatz zu einem langsam überrollenden Hoch zu Beginn eines länger andauernden Bärenmarktes).
Schlussfolgerungen
Eine Strategie, das eigene Portfolio in Voraussicht eines bevorstehenden Bärenmarktes defensiver auszurichten, sollte mit Bedacht umgesetzt werden. Nach Einschätzung von Ken Fisher gehört der Ausstieg aus dem Aktienmarkt zu den größten Risiken, die Investoren eingehen können.
Wenn man einen Bärenmarkt zu spät erkennt und bereits ein erheblicher Rückgang des Portfoliowertes eingetreten ist, vertritt Ken Fisher die Auffassung, dass es wahrscheinlich besser ist, investiert zu bleiben. Damit wird sichergestellt, dass Anleger am Aktienmarkt weiter voll engagiert sind, um aus dem kommenden Bullenmarkt den größtmöglichen Nutzen zu ziehen.
Schließlich sieht Ken Fisher gute Chancen, dass das eigene Aktienportfolio auch gänzlich ohne defensive Maßnahmen während eines Bärenmarktes mit einem entsprechend langfristigen Anlagehorizont immer einen adäquaten kumulativen Gewinn erwirtschaften wird.