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Zigarrenstummel-Ansatz (Cigar Butt Investing)

Der Zigarrenstummel-Ansatz beschreibt die Vorgehensweise, die Warren Buffett zu Beginn seiner Investmentkarriere jahrelang praktizierte. Buffett übernahm diesen Ansatz von seinem Mentor Benjamin Graham, der während der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren das Konzept der sogenannten „Net Net Aktien“ entwickelt hat.

Beitragsfoto: Zigarrenstummel-Ansatz
Bildquelle: Pixabay

Was genau ist der Zigarrenstummel-Ansatz?

Im Wesentlichen konzentriert sich der Zigarrenstummel-Ansatz auf den Kauf angeschlagener Unternehmen, die auf der Basis einer konservativen Einschätzung ihres tatsächlichen wirtschaftlichen Wertes an der Börse mit einer hohen Sicherheitsmarge beziehungsweise unter ihren bilanzierten Vermögenswerten gehandelt werden.

Warren Buffett verglich diese Methode des Investierens in Aktien, als würde man einen weggeworfenen Zigarrenstummel auf der Straße aufheben, der noch einen letzten Zug ermöglicht. Der Stummel mag zwar hässlich und feucht sein, aber der Zug ist gratis.

Bei seinen Investitionen in Net Net Aktien suchte Benjamin Graham nach Aktien von Unternehmen, die zu weniger als Zweidrittel ihres Nettoumlaufvermögens (Umlaufvermögen – kurzfristige Verbindlichkeiten) gehandelt wurden. Selbst wenn der Aktienkurs lediglich auf den Wert des Nettoumlaufvermögens zurückkehrt, würde dies einen Gewinn von 50% bedeuten.

Der Zigarrenstummel-Ansatz ist deshalb eine erfolgreiche Anlagestrategie, weil die Aktien, die Anleger nach dieser Methode kaufen, per Definition absurd billig sind. So schrieb Warren Buffett in seinem Brief an die Aktionäre von Berkshire Hathaway für das Jahr 2014:

Meine Zigarrenstummel-Strategie funktionierte sehr gut, während ich kleine Summen verwaltete. In der Tat machten die vielen Dutzend kostenloser Züge, die ich in den 1950er Jahren erhielt, dieses Jahrzehnt sowohl hinsichtlich der relativen als auch der absoluten Performance mit Abstand zum besten meines Lebens. – Aktionärsbrief 2014

Nachteile des Cigar Butt Investing

Obwohl das Investieren in Zigarrenstummel für Warren Buffett in seinen Anfangsjahren sehr erfolgreich war, hat er den Ansatz – unter dem Einfluss von Charlie Munger – im Laufe seiner Karriere aufgegeben.

In seinem 1989er Aktionärsbrief schrieb Buffett unter der Überschrift „Die Fehler der ersten fünfundzwanzig Jahre (gekürzte Fassung)“, dass die Zigarrenstummel-Methode zwar lohnend sei, der Kauf von Unternehmen mit einem solchen Ansatz jedoch dumm ist (es sei denn, Sie wären ein Insolvenzverwalter).

Unternehmen, die an der Börse augenscheinlich billig sind, haben in der Regel Probleme. Solche Probleme können unternehmensspezifisch, branchenbedingt oder makrobezogen sein. In jedem Fall sind sie aber der Grund, weshalb die Aktien der Unternehmen am Aktienmarkt mit einem Abschlag zu ihrem Inneren Wert gehandelt werden.

Die Schlüsselfrage beim Cigar Butt Investing ist, ob die vorhandenen Schwierigkeiten vorübergehend oder dauerhaft bestehen. Denn wenn die Probleme nicht innerhalb eines überschaubaren Zeitraums von vielleicht 3 bis 5 Jahren gelöst werden können und der Aktienkurs die Lücke zum tatsächlichen Unternehmenswert schließt, handelt es sich bei dem vermeintlichen Schnäppchenkauf u.U. um eine Value Trap.

Der Erfolg des Zigarrenstummel-Ansatzes hängt von einem vorübergehenden Preisanstieg eines Investments ab, der möglicherweise zu spät oder vielleicht sogar überhaupt nicht eintritt. Ein Beispiel: Angenommen ein Anleger kauft eine Aktie zu 60% ihres kalkulierten Wertes und plant diese zu veräußern, sobald der Aktienmarkt das Unternehmen mit seinem vollen Wert bepreist.

Geschieht der Preisanstieg innerhalb von 3 Jahren, läge die durchschnittliche jährliche Rendite des Investments bei 18,6%. Benötigt die Aktie für ihren Kursanstieg 5 Jahre, liegt die Rendite immer noch bei attraktiven 10,8% per anno. Wenn die Aktie aber 10 Jahre benötigt, wäre die zu erzielende Jahresrendite mit 5,2% schon deutlich weniger attraktiv.

Darüber hinaus besteht auch immer die Möglichkeit, dass sich die geschäftlichen Grundlagen des Unternehmens im Laufe der Zeit weiter verschlechtern, was zu einer Reduktion des tatsächlichen wirtschaftlichen Wertes führt. Daher sagte Warren Buffett: „Die Zeit ist der Freund eines guten Geschäfts und der Feind des Mittelmäßigen.“

Aus dem gleichen Grund hat Benjamin Graham auch die Empfehlung ausgesprochen, Aktien nach einer Haltedauer von 5 Jahren zu verkaufen, wenn der Aktienmarkt den tatsächlichen Wert in diesem Zeitraum nicht realisiert hat. Aber auch, wenn die Investition in einen Zigarrenstummel funktioniert, schmälert die auf den Veräußerungserlös anfallende Steuer die Rendite.

Warren Buffett’s heutige Anlagephilosophie

Obwohl Warren Buffett mit dem Zigarrenstummel-Ansatz große Erfolge erzielte, hat er aufgehört, diese Strategie weiter anzuwenden. Heute konzentriert er sich auf qualitativ hochwertige Unternehmen, die über einen wirtschaftlichen Burggraben verfügen. Ein wichtiger Grund dafür war, dass Buffetts finanzielle Mittel mit den Jahren beträchtlich angewachsen sind. Zitat:

Eine große Schwäche dieses Ansatzes wurde allmählich deutlich: Zigarrenstummel-Investitionen waren nur bis zu einem bestimmten Punkt skalierbar. Bei großen Summen funktioniert der Ansatz nicht mehr gut. – Aktionärsbrief 2014

Zudem bietet die Investition in Unternehmen mit hoher Qualität (gutes Management, gute wirtschaftliche Perspektiven), wenn Anleger diese über einen sehr langen Zeitraum halten, den Vorteil, dass der Zinseszinseffekt ungehindert wirken kann und nicht durch immer wiederkehrende Steuerzahlungen unterbrochen wird.

Nichtsdestotrotz bietet der Zigarrenstummel-Ansatz insbesondere Privatanlegern die Möglichkeit, ihre Gewinne zu maximieren, indem sie ihren strukturellen Vorteil des Investierens mit kleinen Summen nutzen und auch unterbewertete Aktien mit geringerer Marktkapitalisierung kaufen.

Aufgrund des erhöhten Risikos sollte dabei jedoch ein statistischer Gruppenansatz verfolgt werden, wie er beispielsweise von Walter Schloss angewendet wurde. Schloss war stets breit diversifiziert und hielt während der meisten Zeit mehr als 100 Aktien in seinem Portfolio. Er erzielte damit in einem 47-Jahres-Zeitraum eine durchschnittliche jährliche Rendite von 20%.

In Kategorie: Miscellaneous

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Guten Tag, mein Name ist Mario Wolff. Ich bin privater Investor und beschäftige mich seit mehr als 25 Jahren mit der Anlagephilosophie des Value Investing. Wenn Du magst, kannst Du meinem Blog auf X (ehem. Twitter) folgen oder den Feed abonnieren.

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