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Kaufe niedrig, verkaufe hoch

In seinem neuesten Memo vom 13. Januar 2022 mit dem Titel „Selling Out“ erklärt Howard Marks warum die allgemein strapazierte Börsenregel „Kaufe niedrig, verkaufe hoch“ nicht immer ein guter Ratschlag ist.

Howard Marks Memo: Kaufe niedrig, verkaufe hoch
Grafik: oaktreecapital.com

Howard Marks hält die Aussage „Kaufe niedrig, verkaufe hoch“ für eine abgedroschene Karikatur der Art und Weise, wie die meisten Menschen das Investieren sehen. Für ihn stellt „Kaufe niedrig, verkaufe hoch“ lediglich den Ausgangspunkt für die Diskussion eines sehr komplexen Prozesses dar.

Ursprünge

Das aktuelle Memo von Howard Marks hat seinen Ursprung in einem Memo aus dem Jahr 2015 mit dem Titel „Liquidity“. Zu diesem Zeitpunkt war das vornehmliche Thema in der Investmentwelt die Besorgnis über einen wahrgenommenen Rückgang der vom Aktienmarkt bereitgestellten Liquidität.

Dieser Rückgang wurde einer Kombination aus (a) den leidenden Investmentbanken während der globalen Finanzkrise und (b) der Volcker-Regel zugeschrieben, die riskante Aktivitäten wie Eigenhandel seitens systemrelevanter Finanzinstitute verbot. Letzteres schränkte die Fähigkeit der Banken ein, Wertpapiere zu platzieren oder sie zu kaufen, wenn Kunden verkaufen wollten.

Ob die Liquidität im Jahr 2015 tatsächlich geringer war als zuvor, konnte Howard Mark nicht abschließend beurteilen. Er war jedoch der Überzeugung, dass die meisten Anleger zu ihrem eigenen Nachteil zu viel handeln und die beste Lösung für Illiquidität darin besteht, langfristig ausgerichtete Portfolios aufzubauen, die nicht auf Liquidität angewiesen sind.

Langfristig orientierte Anleger sind nach Marks Einschätzung gegenüber solchen mit kurzem Anlagehorizont im Vorteil. Geduldige Anleger können die kurzfristige Wertentwicklung ignorieren, Vermögenswerte langfristig halten und übermäßige Handelskosten vermeiden. Während sich alle anderen darüber Sorgen machen, was im nächsten Monat oder Quartal passieren wird.

Außerdem können Langfristanleger davon profitieren, wenn illiquide Vermögenswerte am Markt zu Schnäppchenpreisen zum Kauf angeboten werden.

Howard Marks gibt jedoch zu, dass beim Investieren viele Dinge leichter gesagt sind, als getan. Dies trifft selbstverständlich auch auf das Halten von Aktien zu, da die meisten Menschen Aktivität mit Wertschöpfung gleichsetzen.

Jeder Investor wünscht sich, er hätte Amazon zu Beginn des Jahres 1998 für 5 USD gekauft, da die Aktie bis heute um das 660-fache auf 3.304 USD gestiegen ist.

  • Aber wer hätte die Aktie weiter gehalten, als sie im Jahr 1999 ein Hoch von 85 USD erreichte – ein 17-faches Plus in weniger als zwei Jahren?
  • Wer von denen, die die Aktie weiter hielten, wäre im Jahr 2001 nicht in Panik geraten, als der Aktienkurs um 93% auf 6 USD fiel?
  • Und wer hätte nicht Ende 2015 verkauft, als die Amazon-Aktie einen Kurs von 600 USD erreicht hat – das 100-fache über dem Tief von 2001? Doch wer bei 600 USD verkauft hat, vereinnahmte nur die ersten 18% des Gesamtanstieges ausgehend vom Tief im Jahr 2001.

Je mehr Howard Marks seit dem Schreiben des Memos „Liquidity“ über das Thema nachgedacht hat, desto mehr war er davon überzeugt, dass es zwei Hauptgründe gibt, warum Menschen ihre Investments verkaufen: Weil die Marktpreise entweder gestiegen oder gefallen sind!

Verkaufen, weil etwas gestiegen ist

Gewinnmitnahme heißt im Investmentgeschäft der intelligent klingende Begriff für den Verkauf von Dingen, die im Wert gestiegen sind. Um zu verstehen, warum sich Menschen darauf einlassen, benötigt man laut Howard Marks einen Einblick in das menschliche Verhalten. Denn der Verkauf vieler Anleger ist psychologisch motiviert.

Kurz gesagt wird oftmals verkauft, weil die Leute die Tatsache mögen, dass ihre Vermögenswerte Gewinne aufweisen und zugleich befürchten, dass sie die Gewinne wieder abgeben. Die meisten Menschen investieren viel Zeit und Mühe, um unangenehme Gefühle wie Bedauern und Verlegenheit zu vermeiden. Was könnte einen Anleger zu mehr Selbstvorwürfen veranlassen, als zuzusehen, wie sich ein großer Gewinn in Luft auflöst?

Und was ist mit dem professionellen Anleger, der seinen Kunden in einem Quartal einen großen Gewinner meldet und dann erklären muss, warum die Investition im nächsten Quartal unter den Anschaffungskosten liegt? Für Howard Marks ist es nur menschlich Gewinne realisieren zu wollen, um diese Ergebnisse zu vermeiden.

Wenn man einen im Preis gestiegenen Vermögenswert verkauft, steht der Gewinn „in den Büchern“ und kann niemals rückgängig gemacht werden. Daher halten einige Leute den Verkauf ihrer gewinnreichen Investments für äußerst wünschenswert – sie lieben realisierte Gewinne.

Howard Marks weist jedoch darauf hin, dass es normalerweise ein Fehler ist, realisierte Gewinne als weniger vorübergehend als nicht realisierte Gewinne zu betrachten. Zwar wurden erstere realisiert, die Verkaufserlöse werden in der Regel aber reinvestiert, wodurch der realisierte Gewinn erneut aufs Spiel gesetzt wird.

Man könnte argumentieren, dass im Preis gestiegene Wertpapiere anfälliger für Kursrückschläge sind als neue Anlagen in Vermögenswerten, die derzeit als attraktiv bewertet gelten. Aber das ist alles andere als sicher. Daher macht es für Marks keinen Sinn, Dinge zu verkaufen, nur weil sie gestiegen sind.

Verkaufen, weil etwas gefallen ist

So falsch es auch ist, Vermögenswerte zu verkaufen, um Gewinne zu realisieren, ist es nach Ansicht von Howard Marks noch schlimmer, Vermögenswerte zu verkaufen, nur weil sie im Minus sind. Während die Regel „Kaufe niedrig, verkaufe hoch“ lautet, werden viele Menschen offensichtlich dazu motiviert, ihre Vermögenswerte zu verkaufen, je mehr sie gefallen sind.

Genauso wie der fortgesetzte Kauf von Vermögenswerten einen Bullenmarkt in eine Blase verwandeln kann, hat der weit verbreitete Verkauf von Dingen die im Minus sind, das Potenzial, Marktrückgänge in Crashs zu verwandeln. Es kommt zu Blasen und Zusammenbrüchen, was beweist, dass Anleger zu Exzessen in beide Richtungen beitragen.

Genau wie diejenigen, die Angst vor der Abgabe von Gewinnen haben, machen sich viele Anleger darüber Sorgen, dass sich Verluste anhäufen. Professionelle Anleger könnten darüber hinaus befürchten, dass ihre Kunden sagen: „Wer hält noch ein Wertpapier, nachdem es von 100 auf 50 gefallen ist? Denn jeder weiß, dass ein derartiger Rückgang weitere Rückgänge erahnen lässt.

Als Beleg dafür, dass Anleger tatsächlich die beschriebenen Verhaltensfehler machen, verweist Howard Marks auf Studien, die beispielsweise gezeigt haben, dass der durchschnittliche Anleger in Investmentfonds schlechter abschneidet, als der Investmentfonds selbst. Wie kann das sein?

Wenn die Menschen lediglich ihre Positionen halten würden, oder ihre Fehler unsystematisch wären, würde der durchschnittliche Fondsanleger per Definition genauso abschneiden wie der Investmentfonds. Damit die Ergebnisse der Studien eintreten, müssen Anleger per Saldo ihr Kapital in Fonds reduzieren, die später besser abschneiden, und ihre Allokation in Fonds erhöhen, die später schlechter abschneiden.

Oder anders ausgedrückt: Im Durchschnitt neigen Anleger in Investmentfonds dazu, die Fonds mit der schlechtesten jüngsten Wertentwicklung zu verkaufen (und ihre potenziellen Erholungen zu verpassen), um die Fonds zu kaufen, die sich zuletzt am besten entwickelt haben (und somit wahrscheinlich an ihrer Rückkehr zur Mitte teilnehmen).

Laut Aussage von Howard Marks wissen wird, dass Kleinanleger tendenziell Trendfolger sind und ihre langfristige Performance oftmals darunter leidet. Doch was ist mit den Profis? Hier ist der Beweis für Marks noch eindeutiger.

Die starke Verschiebung in den letzten Jahrzehnten hin zu Indexfonds und anderen Formen des passiven Investierens hat aus dem einfachen Grund stattgefunden, dass aktive Anlageentscheidungen so oft falsch waren.

Auch wenn verschiedene Arten von Fehlern zu dieser Realität beigetragen haben, ist für Howard Marks klar, dass aktive professionelle Anleger im Durchschnitt mehr von den Dingen gekauft haben, die sich weniger gut entwickelten, und weniger von den Dingen, die den Markt übertroffen haben. Mit anderen Worten: Sie haben zu viel zu hohen Preisen gekauft und zu viel zu niedrigen Preisen verkauft.

Für Howard Marks ist der Anteil passiver Kapitalanlagen am Gesamtmarkt nicht so stark angewachsen, weil die passiven Ergebnisse so gut waren, sondern weil das aktive Management so schlecht war. Die meisten Aktienfonds konnten nicht mit ihren Vergleichsindizes mithalten, insbesondere nach Abzug der Gebühren.

Überlegenes Investieren besteht größtenteils darin, die Fehler anderer auszunutzen. Dinge zu verkaufen, weil sie im Preis gefallen sind, ist eindeutig ein Fehler, der den Käufern große Chancen bieten kann.

Wann sollten Anleger verkaufen?

Wenn man Dinge nicht verkaufen sollte, weil sie gestiegen sind, und man nicht verkaufen sollte, weil sie gefallen sind, ist es dann jemals richtig zu verkaufen? Um diese Frage zu beantworten, hat Howard Marks in seinem Memo einen Teil der Diskussion veröffentlicht, die er kürzlich mit seinem Sohn Andrew geführt hat.

Howard Mark: Ich sehe, dass XYZ dieses Jahr um xx% gestiegen ist und mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von xx gehandelt wird. Bist Du versucht, Gewinne mitzunehmen?

Sohn Andrew: Papa, ich habe Dir gesagt, dass ich kein Verkäufer bin. Warum sollte ich verkaufen?

Howard Marks: Nun, Du könntest hier etwas verkaufen, weil Du so viel im Plus bist, Du einen Teil des Gewinns realisieren möchtest, um sicherzustellen, dass Du nicht alles wieder abgibst und XYZ bei dieser Bewertung überbewertet sein könnte. Und natürlich ist noch nie jemand mit Gewinn pleite gegangen.

Sohn Andrew: Ja, aber auf der anderen Seite bin ich ein langfristiger Investor und sehe Aktien nicht als ein Stück Papier, das gehandelt werden kann, sondern als Teileigentum an einem Unternehmen. Das Unternehmen hat noch enormes Potenzial und ich kann mit einer kurzfristigen Abwärtsbewegung leben, deren Gefahr Teil dessen ist, was die Chancen bei einer Aktienanlage eröffnet. Letztlich zählt nur die Langfristigkeit.

Howard Marks: Aber wenn die Aktie kurzfristig möglicherweise überbewertet ist, solltest Du dann nicht Deine Beteiligung reduzieren und einen Teil des Gewinns einstreichen? Wenn sie dann sinkt, hast Du Dein Leid begrenzt und könntest die Aktie niedriger zurückkaufen.

Sohn Andrew: Wenn ich eine Beteiligung an einem Privatunternehmen mit enormem Potenzial, starker Dynamik und großartigem Management besäße, würde ich niemals einen Teil davon verkaufen, nur weil mir jemand den vollen Preis angeboten hat. Großartige Compounder sind extrem schwer zu finden. Daher ist es normalerweise ein Fehler, sie zu veräußern. Außerdem denke ich, dass es viel einfacher ist, das langfristige Ergebnis eines Unternehmens vorherzusagen, als kurzfristige Kursbewegungen. Und es macht keinen Sinn, eine Entscheidung in einem Bereich mit hoher Überzeugung gegen eine Entscheidung mit geringerer Überzeugung einzutauschen.

Howard Marks: Gibt es keinen Punkt, an dem Du anfangen würdest zu verkaufen?

Sohn Andrew: Theoretisch gibt es einen Punkt, aber es hängt weitgehend davon ab, ob sich die geschäftlichen Grundlagen meiner Beteiligung so entwickeln, wie ich es mir erhoffe und wie diese Gelegenheit im Vergleich zu den anderen verfügbaren Investitionen abschneidet.

Aphorismen wie „Niemand ist jemals mit Gewinn pleite gegangen“ mögen nach Ansicht von Howard Marks für Menschen relevant sein, die nebenberuflich für sich selbst investieren. Aber sie sollten bei professionellen Investoren keinen Platz haben.

Es gibt sicherlich gute Gründe für einen Verkauf. Diese haben aber nichts mit der Angst Fehler zu machen, Reue zu empfinden und schlecht auszusehen, zu tun. Vielmehr sollten diese Gründe auf den Aussichten für die Investition selbst beruhen – nicht auf der Psyche des Anlegers. Und sie müssen durch nüchterne Finanzanalyse, Strenge und Disziplin identifiziert werden.

Professor Sidney Cottle von der Stanford University war der Herausgeber der späteren Versionen von Benjamin Graham und David L. Dodds Security Analysis (der Bibel des Value Investing) einschließlich der Ausgabe, die Howard Marks vor 56 Jahren gelesen hatte. Aus diesem Grund kannte er das Buch als „Graham, Dodd and Cottle“.

Sidney Cottle war in den 1970er Jahren Berater der Anlageabteilung der First National City Bank. Howard Marks hat seine Definition des Investierens nie vergessen: „Die Disziplin der relativen Auswahl“. Mit anderen Worten, die meisten Portfolioentscheidungen, die Anleger treffen, sind relative Entscheidungen.

Für Marks liegt es auf der Hand, dass relative Erwägungen bei jeder Entscheidung, bestehende Beteiligungen zu verkaufen, eine enorme Rolle spielen sollten.

  • Wenn die Anlagethese weniger valide erscheint als zuvor und/oder die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich als richtig erweist, gesunken ist, ist der Verkauf eines Teils oder der gesamten Beteiligung wahrscheinlich angemessen.
  • Wenn eine andere Investition auftaucht, die vielversprechender zu sein scheint – um eine überlegene risikobereinigte voraussichtliche Rendite zu erwirtschaften – ist es ebenfalls vernünftig, bestehende Bestände zu reduzieren oder zu eliminieren, um Platz für eine neue Investition zu schaffen.

Der Verkauf eines Vermögenswerts ist für Howard Marks eine Entscheidung, die nicht isoliert betrachtet werden darf. Sidney Cottles Konzept der „relativen Auswahl“ unterstreicht die Tatsache, dass jeder Verkauf zu einem Erlös führt.

Was wird man mit diesem Erlös machen? Hat man etwas im Sinn, von dem man glaubt, dass es eine überragende Rendite erzielen könnte? Was könnte man verpassen, wenn man zu der neuen Investition wechselt? Und was wird man aufgeben, wenn man den Vermögenswert weiterhin in seinem Portfolio behält, anstatt den Wechsel vorzunehmen?

Und wenn man nicht vor hat, den Erlös zu reinvestieren. Wie hoch ist in diesem Fall die Wahrscheinlichkeit, dass es einem besser geht, wenn man den Erlös in bar erhält, als wenn man die verkaufte Sache behalten hätte? Fragen wie diese beziehen sich auf das Konzept der „Opportunitätskosten“, eine der wichtigsten Ideen bei der finanziellen Entscheidungsfindung.

Was ist mit der Idee zu verkaufen, weil man glaubt, dass ein vorübergehender Rückgang der Marktpreise bevorsteht, der eine der Beteiligungen oder den gesamten Markt betreffen wird? Mit diesem Ansatz gibt es einige Probleme:

  • Warum sollte man etwas verkaufen, von dem man glaubt, dass es eine positive langfristige Entwicklung vor sich hat, um sich auf einen Rückgang vorzubereiten, von dem man erwartet, dass er vorübergehend ist?
  • Dadurch wird eine weitere Möglichkeit eingeführt, falsch zu liegen (von denen es so viele gibt), da der Rückgang möglicherweise nicht eintritt.
  • Charlie Munger (stellvertretender Vorsitzender von Berkshire Hathaway) weist darauf hin, dass der Verkauf zu Zwecken des Markttimings einem Anleger tatsächlich zwei Möglichkeiten bietet, sich zu irren: Der Rückgang kann eintreten oder nicht. Und wenn der Rückgang eingetreten ist, muss man herausfinden, wann es an der Zeit ist, wieder einzusteigen.
  • Oder vielleicht sind es drei Möglichkeiten? Denn sobald man verkauft, muss man auch entscheiden, was man mit dem Erlös macht, während man wartet, dass ein Kursrückgang eintritt und die Zeit gekommen ist, um wieder einzusteigen.
  • Menschen, die Rückgänge vermeiden, indem sie zu oft verkaufen, könnten sich an ihrer Brillanz erfreuen und ihre Positionen bei den daraus resultierenden Tiefs nicht wieder aufbauen. Daher können selbst Verkäufer, die recht hatten, nichts von bleibendem Wert erreichen.
  • Und zu guter Letzt: Was ist, wenn man falsch liegt und es keinen Einbruch gibt? In diesem Fall verpasst man die daraus resultierenden Gewinne und steigt entweder nie wieder ein oder tut dies zu höheren Preisen.

Daher ist es für Howard Marks im Allgemeinen keine gute Idee, zu Zwecken des Markttimings zu verkaufen. Es gibt nur sehr wenige Gelegenheiten, dies gewinnbringend zu tun. Und nur sehr wenige Menschen, die über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen, um diese Gelegenheiten zu nutzen.

Wie viel ist zu viel zum Halten?

Howard Marks räumt ein, dass es Zeiten gibt, in denen es richtig ist, einen Vermögenswert zugunsten eines anderen zu verkaufen. Basierend auf der Idee der relativen Auswahl. Aber man darf dies nicht mechanisch tun. Wenn wir das täten, würden wir im logischen Extremfall unser gesamtes Kapital in die eine einzige Investition stecken, die wir für die beste halten.

Nahezu alle Investoren – auch die besten – diversifizieren ihre Portfolios. Anleger haben vielleicht ein Gespür dafür, welche Beteiligung die absolut beste ist. Aber Howard Marks weist darauf hin, dass er noch nie von einem Investor mit einem Portfolio mit nur einer einzigen Anlage gehört hat.

Investoren können ihre Favoriten übergewichten, um Vorteile aus dem zu ziehen, was sie zu wissen glauben. Aber sie diversifizieren immer noch, um sich vor dem zu schützen, was sie nicht wissen. Das bedeutet, dass sie suboptimieren und möglicherweise einen Teil ihrer Chance auf eine maximale Rendite aufgeben, um die Wahrscheinlichkeit einer lediglich hervorragenden Rendite zu erhöhen.

In diesem Zusammenhang veröffentliche Howard Marks in seinem Memo eine weitere Passage aus dem Gespräch mit seinem Sohn Andrew.

Howard Marks: Du hast ein konzentriertes Portfolio. XYZ war bereits eine große Position, als Du sie gekauft hast. Und angesichts der Wertsteigerung ist sie heute sogar noch größer. Intelligente Anleger konzentrieren Portfolios und halten daran fest, um von dem zu profitieren, was sie wissen. Aber sie diversifizieren ihre Bestände und verkaufen, wenn die Dinge steigen, um den potenziellen Schaden durch das, was sie nicht wissen, zu begrenzen. Hat das Wachstum in dieser Position unser Portfolio in dieser Hinsicht nicht aus dem Gleichgewicht gebracht?

Sohn Andrew: Vielleicht stimmt das, abhängig von unseren Zielen. Aber eine Position zu reduzieren würde bedeuten, etwas zu verkaufen, mit dem ich mich auf der Grundlage meiner Bottom-up Analyse sehr wohl fühle, um in etwas zu wechseln, in dem ich mich weniger gut fühle oder das ich weniger gut kenne (oder Bargeld). Für mich ist es viel besser, eine kleine Anzahl von Dingen zu besitzen, die mir wichtig sind. Ich werde im Laufe meines Lebens nur wenige gute Erkenntnisse gewinnen. Also muss ich die wenigen, die ich habe, maximieren.

Alle professionellen Anleger wollen eine gute Anlageperformance für ihre Kunden, aber auch finanziellen Erfolg für sich selbst. Und Privatanleger müssen im Rahmen ihrer Risikotoleranz investieren. Aus diesen Gründen sind die meisten Anleger – und sicherlich die Kunden der meisten Anlageverwalter – nicht gefeit vor der Besorgnis über die Portfoliokonzentration und damit gegenüber der Anfälligkeit für ungünstige Entwicklungen.

Diese Überlegungen liefern Howard Marks triftige Gründe für die Begrenzung des Umfangs der Käufe einzelner Vermögenswerte und den Abbau von Positionen, wenn sie an Wert gewinnen.

Die Quintessenz:

  • Wir sollten unsere Investitionsentscheidungen auf unseren Schätzungen über das Potenzial eines jeden Vermögenswertes stützen.
  • Wir sollten nicht verkaufen, nur weil der Preis gestiegen ist und die Position angeschwollen ist.
  • Es kann berechtigte Gründe geben, die Größe der von uns gehaltenen Positionen zu begrenzen, aber es gibt keine Möglichkeit wissenschaftlich zu berechnen, wie hoch diese Grenzen sein sollten.

Mit anderen Worten: Die Entscheidung, Positionen zu kürzen oder vollständig zu verkaufen, hängt vom Ermessen des Anlegers ab. Wie alles andere ebenfalls, was beim Investieren wichtig ist.

Das letzte Wort zum Verkaufen

Die meisten Anleger versuchen einen Mehrwert zu schaffen, indem sie bestimmte Vermögenswerte über- oder untergewichten beziehungsweise durch rechtzeitiges Kaufen und Verkaufen. Obwohl nur wenige die Fähigkeit bewiesen haben, diese Dinge konsequent richtig zu machen (vergleiche vorherige Kommentare zum aktiven Management), steht es jedem frei es zu versuchen. Für Howard Marks gibt jedoch ein großes aber.

Für ihn ist klar, dass einfach investiert zu sein bei weitem „das Wichtigste“ ist. Die meisten aktiv verwalteten Portfolios werden den Markt nicht übertreffen, wenn die Portfoliogewichtungen manipuliert oder zu Zwecken des Markttimings gekauft und verkauft werden. Anleger können versuchen, ihre Erträge durch solche Machenschaften zu steigern. Aber diese Aktionen werden wahrscheinlich bestenfalls nicht funktionieren und können schlimmstenfalls hinderlich sein.

Die meisten Volkswirtschaften und Unternehmen profitieren von positiven zugrundeliegenden säkularen Trends. Daher steigen die meisten Wertpapiermärkte in den meisten Jahren und ganz sicher über lange Zeiträume. Der US-Aktienindex Standard & Poor’s 500 hat in den letzten 90 Jahren eine geschätzte durchschnittliche jährliche Rendite von 10,5% erzielt. Das bedeutet, dass 1 US-Dollar, der vor 90 Jahren in den S&P 500 investiert wurde, heute auf etwa 8.000 US-Dollar angewachsen wäre.

Viele Leute haben auf das Wunder der Zinseszinseffekts hingewiesen. Zum Beispiel soll Albert Einstein den Zinseszins als „das achte Weltwunder“ bezeichnet haben. Wenn heute 1 US-Dollar zu einer historischen Gesamtrendite von 10,5% pro Jahr investiert werden könnte, würde er in 50 Jahren auf 147 US-Dollar anwachsen.

Man könnte argumentieren, dass das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren langsamer ausfallen wird, als in der Vergangenheit. Oder dass günstig bewertete Aktien in früheren Perioden leichter zu finden waren, als heute. Doch selbst bei einer Rendite von nur 7% pro Jahr, wird 1 US-Dollar, der heute investiert wird, in 50 Jahren auf über 29 US-Dollar anwachsen.

Howard Marks gefällt die Art und Weise, wie Bill Miller, einer der großen Investoren unserer Zeit, es in seinem Marktkommentar für das 3. Quartal 2021 formuliert hat:

In der Nachkriegszeit ist der US-Aktienmarkt in etwa 70% der Jahre gestiegen. Viel schlechtere Quoten als diese haben Casino-Besitzer sehr reich gemacht. Doch die meisten Anleger versuchen, die 30% der Zeit vorherzusehen, in der Aktien fallen. Oder, noch schlimmer. Sie verbringen ihre Zeit damit, vergeblich auf den vierteljährlichen Auf- und Abwärtswellen des Marktes zu surfen. Die meisten Renditen konzentrieren sich bei Aktien in starken Ausbrüchen, die in Zeiten großen Pessimismus oder Angst beginnen, wie wir zuletzt beim Marktrückgang im Jahr 2020 gesehen haben. Wir glauben, dass Zeit – nicht Timing – der Schlüssel zum Vermögensaufbau an der Börse ist. (18. Oktober 2021)

Wie bereits von Howard Marks erwähnt, verkaufen Anleger oft, weil sie glauben, dass ein Marktrückgang bevorsteht und sie die Möglichkeit haben, ihn zu vermeiden. Die Wahrheit ist jedoch, dass das Kaufen oder Halten – selbst zu erhöhten Preisen – und das Erleben eines Rückgangs an sich alles andere als fatal ist.

Normalerweise folgt auf jedes Markthoch ein noch höheres Hoch. Und schließlich zählt nur die langfristige Rendite. Das Marktengagement durch schlecht durchdachte Verkäufe zu reduzieren, und damit nicht in vollem Umfang am positiven langfristigen Trend der Märkte zu partizipieren, ist beim Investieren eine Todsünde.

Das gilt umso mehr, wenn man grundlos gefallene Dinge verkauft, negative Schwankungen in dauerhafte Verluste verwandelt und die vermögensbildende Kraft des Zinseszinseffekts verpasst.

Howard Marks betrachtet sich und seine Mitarbeiter nicht als Händler, sondern als Investoren. Investieren bedeutet für ihn, Kapital in Vermögenswerten zu binden, die auf einer fundierten Einschätzung ihres Potenzials beruhen, und langfristig von den Ergebnissen zu profitieren.

Als Marks die Investmentfirma Oaktree im Jahr 1995 mitgründete, etablierten die fünf Gründer (die zu diesem Zeitpunkt im Durchschnitt bereits neun Jahre zusammengearbeitet hatten) eine Anlagephilosophie, die auf dem aufbaute, was die einzelnen Mitglieder in dieser Zeit erfolgreich gemacht hatten. Einer der sechs Grundsätze drückte die Ansicht zum Versuch aus, die Märkte durch Kaufen und Verkaufen zu timen:

Da wir nicht an die Prognosefähigkeit glauben, die für ein korrektes Timing der Märkte erforderlich ist, halten wir Portfolios voll investiert, wenn Vermögenswerte zu attraktiven Preisen gekauft werden können. Die Besorgnis über das Marktklima kann dazu führen, dass wir zu defensiveren Anlagen tendieren, die Selektivität erhöhen oder bewusster handeln.

Aber wir handeln nie, um Bargeld zu beschaffen. Kunden beauftragen uns, in bestimmte Marktnischen zu investieren und wir dürfen unsere Arbeit nie verfehlen. Es ist unangenehm, Anlagen zu halten, deren Kurs fällt. Aber Renditen zu verpassen, weil wir nicht das gekauft haben, wofür wir beauftragt wurden, ist unentschuldbar.

Zum Abschluss seines Memos weist Howard Marks darauf hin, dass die sechs Grundsätze in der Anlagephilosophie von Oaktree nie geändert wurden und auch keine Absicht besteht, dies jemals zu tun.

In Kategorie: Miscellaneous

Über den Autor

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Guten Tag, mein Name ist Mario Wolff. Ich bin privater Investor und beschäftige mich seit mehr als 25 Jahren mit der Anlagephilosophie des Value Investing. Wenn Du magst, kannst Du meinem Blog auf X (ehem. Twitter) folgen oder den Feed abonnieren.

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